Der Edge ist der amerikanischste Ford nach dem Mustang. Und das mit Abstand größte SUV der Marke. MOTOR-TALK testete den Koloss aus der oberen Mittelklasse im Alltag.
Berlin – Im Ford Edge gibt es die Momente, in denen einfach alles stimmt. Wenn man erhaben dem Horizont entgegengleitet und dabei wie ein König hoch über der Straße thront. So fühlen sich vermutlich Trucker auf einsamen Highways. Abseits der breiten Bundesstraße lässt die Fernfahrer-Romantik im Ford-SUV nach. Weil die LKW-Assoziationen bleiben: Zu groß, zu schwer und insgesamt zu plump wirkt das Auto dann schnell. Mitfahrer stellt Fords größtes SUV dagegen in jeder Umgebung (und fast jeder Hinsicht) zufrieden. Sparfüchse aktuell ebenfalls, denn vor dem Facelift schrumpft Ford die Preise der bisherigen Version. Abmessungen | Platzangebot | KarosserieQuelle: mobile.de Ford bietet den Edge seit 2016 in Deutschland an. Vom kompakten SUV Kuga trennen den 4,808 Meter langen Edge 35 Zentimeter und der Atlantik. Der Edge entsteht in Kanada und ist ein auf den amerikanischen Markt zugeschnittenes Modell. Der Import-Ford geriet kantiger als die deutschen Alternativen VW Touareg oder BMW X5. Im Innenraum des 1,928 Meter breiten Amis könnten vier NFL-Hünen bequem reisen, auf dem Mittelplatz der Rückbank bliebe dem schmächtigeren Zeugwart noch ausreichend Platz. Genügend Beinfreiheit gibt es in der zweiten Reihe in jedem Fall, die Kopffreiheit ist ohne Panorama-Glasschiebedach (1.150 Euro Aufpreis) ebenfalls großzügig bemessen. Der Kofferraum des Ford Edge fasst bis zu 602 Liter, bei umgeklappter hinterer Sitzlehne wächst der Stauraum auf 1.847 Liter. Was auf der leicht ansteigenden Ladefläche keinen Platz mehr findet, passt oftmals in eine der unzähligen Ablagen. An den Seiten des Gepäckraumes gibt es je eine Schale, unter der Reserveradabdeckung zwei weitere große Fächer. Etwas Raum unter der hochklappbaren Mittelarmlehne der ersten Reihe bietet im Grunde jedes SUV, aber so viel Volumen wie im Edge ist selten. Das Fach fasst locker eine 1-Liter-Flasche plus X. Auch andere Fächer gleichen einem Höhlensystem. Die Fußräume von Fahrer und Beifahrer sind über eine offene Ablagefläche hinter der Mittelkonsole verbunden. Das Handyfach vor dem Schalthebel könnte ob seiner Tiefe auch ein Minitablet schlucken. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: mobile.de Die wenigen Lederpolster im Ford Edge fühlen sich angenehm an und sind großzügig gepolstert. Schade, dass Ford davon nicht mehr im Innenraum verteilt, zum Beispiel am Armaturenbrett. Der dort eingesetzte, minimal unterschäumte Kunststoff ist eines Autos dieser Preisklasse nicht würdig. Ledersitzbezüge wären für unser Testfahrzeug optional erhältlich (ab 1.950 Euro). Wen das garantiert nicht kümmert, sind die Fondpassagiere. Wenn man die Rückbank mittels der weit verstellbaren Lehne zum Liegestuhl macht, sieht man vieles entspannter. Will man als Fahrer so aufrecht wie ein Einser-Schüler sitzen, braucht es Geduld bei der Justierung des Sportsitzes (Serie ab Ausstattungsvariante „Titanium“). Die Stühle montiert Ford in der Grundposition relativ hoch. Antrieb | Motor | GetriebeQuelle: mobile.de Ein großvolumiger V6 mit Wandlerautomatik – so stellen wir uns ein US-Car vor. Gibt es beim Edge nur auf dem Heimatmarkt. Bei uns ist er ausschließlich mit 2,0-Liter-Dieselmotor erhältlich. Die schwächere Variante leistet 180 PS und kommt mit manuellem Sechsgang-Getriebe. Wir fuhren die 210 PS starke Version mit zweitem Turbolader und obligatorischem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Allrad ist bei europäischen Ford Edge alternativlos. Der Biturbo-Selbstzünder kommt im unteren Drehzahlbereich erwartungsgemäß gut zurecht. Bei 2.000 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment von 450 Newtonmeter an, die volle Leistung steht bei 3.750 Umdrehungen bereit. Längsdynamische Heldentaten bleiben bei knapp 2 Tonnen Fahrzeuggewicht aus, zum zügigen Dahingleiten langt es. Der Verbrauch pendelte sich bei viel Autobahn- und Stadtverkehr im Bereich zwischen 7,8 und 8,3 Litern ein. Fords serienmäßige Active Noise Cancellation sorgt für Ruhe im Innenraum. Das System spielt eine künstliche Gegenfrequenz zur natürlichen Geräuschkulisse ein – ähnlich wie geräuschunterdrückende Kopfhörer. Laut ist es im Edge nach dem Kaltstart, wenn erbärmliches Nageln in den Innenraum dringt. Bei höheren Drehzahlen vernimmt man den Klang des Diesels ebenfalls. Ein drehmomentstarker Diesel braucht keine hohen Drehzahlen? Sag das dem Sport-Modus des Automatikgetriebes. Zum Charakter des Edge passt der Standard-Modus besser – selbst wenn sich das Doppelkupplungsgetriebe dann eher nach Wandlerautomatik anfühlt. Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungQuelle: mobile.de Wie man zum Edge steht, hängt davon ab, wo man ihn fährt. Auf geraden Landstraßen und Autobahnen schätzt man die wohlige Sänfte. Rückmeldungsarme und mäßig direkte Lenkung? Macht nichts, Scheitelpunkte jagen ist etwas für die da unten. Wir schweben lieber, aber: Wenn die Kurvenradien enger werden und der Hafer sticht, dürfte der Koloss dennoch gern agiler sein. Unser Testfahrzeug hat die Spitze des Querdynamik-Könnens bereits erreicht: In den Federdomen steckt das straffere Fahrwerk (300 Euro Aufpreis). Es schirmt die Bandscheibe gegen kleine Unebenheiten perfekt ab, lässt jedoch alles ab Kopfsteinpflaster aufwärts ungefiltert durch. Zum Sportler wird der Edge trotzdem nicht. Daher tendieren wir zum weicheren Serienfahrwerk. Lieber einen richtigen Gleiter als einen verhinderten Dynamiker. In der City ist der Edge vor allem eines: im Weg. Er wirkt nicht nur von außen breiter, als er ist. Wo man im kleineren Ford Kuga durchwuselt, tastet man sich im Edge behutsam vorwärts. Der Fahrer weiß eben nur ungefähr, wo die Kanten der Kante (engl. Edge) enden. Übersicht geht anders. Beim Rangieren hilft die adaptive Lenkung (490 Euro). Sie passt das Übersetzungsverhältnis der Geschwindigkeit an. Bei geringen Geschwindigkeiten sind es weniger als zwei Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag. Auf den maximalen Einschlag hat das freilich keinen Einfluss, der Wendekreis entspricht mit 11,90 Metern dem eines VW Touareg. Assistenzsysteme | SicherheitQuelle: mobile.de Der Ford Edge verfügt schon in der Basis über Spurhalteassistent, Rückfahrkamera und Notbremsassistent. Letzterer ist mit Leuchtdioden am Armaturenbrett gekoppelt. Reagiert man nicht oder spät auf ein stehendes Fahrzeug, ermahnt der Edge per rotem Flackern und Warnton. Über das Business-Paket (ab 2.000 Euro) kam unser Edge zum Parkassistenten. Der beherrscht das Einparken in Quer- und Längsrichtung, die Pedalarbeit bleibt beim Fahrer. Normalerweise tänzelte der Edge grazil in die Parklücke, nur einmal verschätzte er sich und hätte uns direkt in eine fremde Seitenwand geleitet. Der adaptive Tempomat (500 Euro Aufpreis) patzte häufiger. Weil das System die Umwelt wahrnimmt wie ein Pferd mit Scheuklappen und nur erfasst, was in direkter Verlängerung der Schnauze liegt. Das ACC-System verliert in Kurven häufig den Vordermann und gibt Gas, um danach wieder hart einzubremsen. Immerhin lässt sich über ein Feld am Tacho überprüfen, ob der Ford den Vorausfahrenden noch auf dem Schirm hat. Infotainment | Radio | BedienungBeim Tacho des Edge kombiniert Ford ein analoges Ziffernblatt mit digitalen Zeigern. Damit können Zusatzinformationen über Fahrstrecker und Fahrassistenten eingeblendet werden. Durch das digitale Programm schaltet der Fahrer mittels der Cursortasten am Lenkrad, jeweils fünf an der Zahl. Darunter liegen zu beiden Seiten weitere sechs Tasten für Tempomat und die Bedienung des serienmäßigen Sync3-Infotainmentsystems. Das ist deutlich überladen. Die Tastenanordnung unterhalb des Bildschirms gelang Ford besser. Ausstattung | Preis | FazitUnser Ford Edge kam in der „Titanium“-Variante. Den Einstieg bildet „Trend“ (ausschließlich mit dem kleinen Diesel und Handschaltung kombinierbar), die Spitzenausstattung die noble „Vignale“-Linie. Daneben hat Ford eine ST-Line im Angebot, mit schwarzem Grill und ohne Dachreling. Das Sportfahrwerk ist dannn serienmäßig, das Motorenangebot identisch zu „Titanium“ und „Vignale“. Ein stärkerer, „echter“ Edge ST ist den amerikanischen Heimatmärkten vorbehalten. Quelle: mobile.de Die in Amerika seit 2014 angebotene, zweite Edge-Generation nähert sich der Mitte ihres Lebenszyklus. Ford stellte in Genf bereits das geliftete Modell vor, die noch erhältliche Variante soll so schnell wie möglich vom Hof. Aktuell gibt es bei den Basispreisen erhebliche Nachlässe. Unser Modell (großer Diesel, Titanium-Ausstattung) startete einst bei 50.100 Euro. Der Aktionspreis liegt bei 44.950 Euro. Tageszulassungen mit Euro-6b-Diesel werden derzeit unterhalb der 40.000 Euro inseriert. Die Aufpreisliste für Bestellfahrzeuge blieb insgesamt unangetastet. Für die Lackierung in Magnetic-Grau-Metallic stellt Ford 800 Euro in Rechnung. Über das Business-Paket (ab 2.000 Euro) fanden adaptiven LED-Leuchten, der Park-Assist und dem Sony-Navigationssystem in den Edge. Hinzu kamen der adaptive Tempomat ACC (500 Euro), Frontkamera (350 Euro), adaptive Lenkung (490 Euro) und das Sportfahrwerk (300 Euro). Legt man den Aktionspreis zugrunde, beliefe sich der Gesamtpreis auf 49.390 Euro. Den stoischen adaptiven Tempomaten und das Sportfahrwerk würden wir abwählen. Günstiger als die größen- und leistungstechnisch vergleichbaren Modelle ist der Edge unabhängig davon: Die Allrad-Diesel BMW X5 xdrive25d und Volvo XC90 T5 AWD starten jenseits der 60.000 Euro. Den Touareg II nahm VW aufgrund des bevorstehenden Modellwechsels bereits aus dem Konfigurator - in der vergleichbaren Variante 3.0 V6 TDI BlueMotion Technology war auch er teurer. Die anvisierten Konkurrenten sind doch alle "echte Premiumautos"? Sportlicher, luxuriöser, hochwertiger als der Ford? Nicht unbedingt. Ford stellt den Edge bewusst in Konkurrenz zu diesen Fahrzeugen - und positioniert ihn klar oberhalb von Mistubishi Outlander oder Kia Sorento. Wer häufig lange Strecken zurücklegt, wird sich am Steuer von Fords großem Gleiter sicher wohlfühlen - solange die Straße gerade ist. Ford Edge: Technische Daten
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