Aus einem guten Gebrauchten einen Oldtimer machen? Geht, wenn auch nicht immer leicht. Wir haben es ausprobiert und genau dokumentiert. Hier kommt Teil 3 unserer Serie: die erste Besichtigung.
Video: die erste Besichtigung
30 Jahre auf dem Blech lassen ein Auto arg altern. Aber das macht noch keinen Oldtimer. Was genau ist notwendig, um das mit vielen Vorteilen verbundene H-Kennzeichen zu bekommen? Nachdem wir geklärt haben, wo die Vor- und Nachteile von Oldtimern liegen, gehen wir nun auf die Suche. Zuerst bei mobile.de, dann in fremden Garagen. Hier findet Ihr die anderen Teile der Serie: Teil 1, Teil 2, Teil 4, Teil 5, Teil 6 und Teil 7.
Berlin – Wochenlang haben wir Inserate bei mobile.de durchforstet. Der digitale Parkplatz gleicht inzwischen dem eines mittelgroßen Einkaufscenters. Zeit, sich ein paar Kandidaten anzuschauen. Unsere Kaufkriterien: Autos bis Baujahr 1988 (wegen der Oldtimerzulassung), weniger als 175.000 Kilometer Laufleistung (wegen des Verschleißes) und Scheckheft (wegen der Nachvollziehbarkeit). Das Auto sollte nicht mehr als 6.000 Euro kosten, wenige Halter wären schön, sind aber kein Muss. Dafür sollte der Gebrauchtwagen fahrbereit und gut in Schuss sein. Klar, wir wollen ein paar Tage daran schrauben, eine Wartung durchführen, putzen und polieren. Aber Blech- und Schweißarbeiten sowie eine anschließende Neulackierung wollen wir uns sparen. Denn der kommende Oldie soll mit wenig Aufwand zum offiziellen Oldtimer werden. Deshalb gilt das alte Sprichwort: Bessere und teure Autos kommen am Ende günstiger. Sie schonen Nerven und Geldbeutel. Bei vermeintlichen Schnäppchen hat sich schon so mancher Schrauber verzettelt. #Kandidat 1: Mercedes 230Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK Das erste zu besichtigende Auto steht in Lippstadt, ein Mercedes 230er, W124, erst 78.000 Kilometer gelaufen. Das Inserat liest sich gut, ein Auto quasi aus erster Hand. Es wurde nur in der Familie von Vater auf Mutter auf Tochter weitergereicht. Die Limousine soll gepflegt sein, nur ein paar Macken haben, aber sonst in einem guten Zustand. Also schnell einen Termin vereinbaren. Das klappt gleich für den nächsten Tag. Die Ernüchterung folgt am Morgen vor dem Treffen. Der Verkäufer schickt noch ein paar Fotos, beschreibt und zeigt offen und ehrlich ein paar Macken des Autos. Dellen und Kratzer werden sichtbar, der Drehzahlmesser funktioniert nicht. Wir sind da aber schon unterwegs, wollen uns das Auto dennoch anschauen. Frisch gewaschen steht der 124er da, der Lack ist dennoch matt. Das wäre kein Problem. Mit ein bisschen Arbeit würde der nach ein paar Stunden wieder glänzen. Mehr Arbeit verlangen die Beule unterhalb des linken Rücklichtes und der tiefe Kratzer rechts am Heck. Dafür müssten wir das Auto weggeben. Für eine normale HU-Untersuchung spielen die Schäden keine Rolle, für das Erlangen des H-Kennzeichens kann sich ein Prüfer daran aber stören. Denn der will ein Auto im originalen und vor allem in einem gepflegten Zustand sehen. Gemacht, aber leider schlechtDem Prüfer würde beim genauen Hinschauen auffallen, dass sich die Frontscheibe links oben in der Ecke löst und milchig wird, dass das Armaturenbrett einen kleinen Riss aufweist, die Holzverkleidung ausgeblichen und rissig ist und die Sitzwangen auf der Fahrerseite abgenutzt sind. Er würde auch sehen, dass sich die Verkleidung hinter der C-Säule leicht löst. Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK Die verblichenen Türgriffe könnten wir schnell einschwärzen, die fleckigen Stoßstangen vorne könnten wir zügig aufarbeiten. Die Motorhaube mit den Dellen, Kratzern und Rostlöchern würden wir uns in der Farbe 735 gebraucht besorgen. Das käme billiger als sie neu lackieren zu lassen. Ein kleines Problem hätten wir mit den Wagenheberaufnahmen. Auf der linken Seite wurden sie schon mal gemacht, leider schlecht. Auf der rechten Seite müssten wir die alten, vergammelten Aufnahmen raustrennen und neu einschweißen – eine Sache von einem Samstag. Wir starten den Motor, der sofort ruhig läuft und kaum vibriert. Doch die Anzeigen bleiben stumm. Weder der Drehzahlmesser noch der Öldruck zeigen irgendetwas an. Auch die Pumpe für den Fahrersitz bleibt stumm. Da könnte die Fehlersuche Zeit und Nerven kosten. Diese Stelle kennen wir schonQuelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK Der Blick unter die Haube macht stutzig: ein bisschen viel Farbnebel und Fett an allen Ecken und Kanten. Das sei nur zur Konservierung, sagt der Verkäufer. Wir glauben ihm. Unter der Haube fehlt das Dämmmaterial. Der rechte Kotflügel wurde vor ein paar Jahren erneuert, in der Mulde klebt viel Dichtmittel, das zu viel nachgibt. Ein Rostloch? Wir schauen lieber nicht weiter, kennen die Stelle aber schon von anderen W124. Der Motor ist leicht verölt, die Aufnahmelager sehen aber noch alle frisch aus. Ob das Fahrwerk überholt wurde, kann der Verkäufer nicht sagen, auch zum übrigen Einsatz kann er wenig beitragen. Nur, dass das Auto wenig Regen und Schnee gesehen hat. Der Unterboden und auch die hintere Aufhängung sehen jedenfalls danach aus. Von den anfangs geforderten 5.850 Euro geht der Verkäufer sofort auf 5.000 Euro runter. Ein bisschen viel Geld für eine Limousine mit so vielen kleinen Mängeln. Der Kilometerstand scheint zu stimmen, das Auto hat bis auf die Wagenheberaufnahmen keinen Rost, die Radläufe sind sauber. Aber es sind viele kleine Macken, die wir beheben müssten. Die Fehlersuche im Cockpit kann Stunden, wenn nicht sogar Tage dauern. Die Scheibe müsste in der nächsten Zeit gewechselt werden und die Beulen wären Aufgaben für einen Karosseriemeister. Auf eine Probefahrt verzichten wir. Die Suche geht in der nächsten Folge weiter.
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