Aus einem guten Gebrauchten einen Oldtimer machen? Geht, wenn auch nicht immer leicht. Wir haben es ausprobiert und genau dokumentiert. Hier kommt Teil 6 unserer Serie: die Reparatur.
Video: Die Reparatur
30 Jahre auf dem Blech lassen ein Auto stark altern. Aber das macht noch keinen Oldtimer. Was genau ist notwendig, um das mit vielen Vorteilen verbundene H-Kennzeichen zu bekommen? Nachdem wir unseren Traum-Oldie gefunden haben, gehen wir in die Werkstatt. Hier findet Ihr die anderen Teile der Serie: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5 und Teil 7. Berlin – Kurz zur Erinnerung: Wir suchten ein altes Auto, das wir zum Oldtimer machen können - und kauften einen weinroten Mercedes 190er, für 5.000 Euro. Nicht billig, aber für einen gut erhaltenen Oldie von 1987 mit 96.000 Kilometern Laufleistung, aus zweiter Hand und mit lückenlosem Scheckheft durchaus okay. Der letzte Ölwechsel liegt erst rund 2.000 Kilometer zurück. Netterweise hat der Vorbesitzer uns gestattet, das Auto mit seinen Kennzeichen zu überführen. Kurzkennzeichen mussten wir nicht besorgen, nur am nächsten Tag das Auto im Stadthaus abmelden – eine Sache von einer halben Stunde. Danach parken wir den Benz in der Schrauberhalle auf der Hebebühne. Auch wenn er in einem guten Zustand auf den Reifen steht, müssen wir noch ein paar Dinge ändern, damit der 190er ein Oldtimergutachten nach Paragraph 23 der StVZO erhält. Beim Auspuff hilft Schweißen nicht mehrQuelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg Schon bei der Besichtigung war klar, dass wir uns mit dem Benz ein paar Tage einschließen müssen. Dem Kunststoffkühlergrill fehlen ein paar Zacken, der Warnblinkerschalter funktioniert nicht und aus dem Mittelschalldämpfer zischt es. Alles halb so wild. Bei genauerem Hinsehen bemerken wir, dass beim Auspuff Schweißen wenig hilft. Viele Löcher durchsieben das Blech, an einigen Stellen ist es sehr dünn. Bei eBay finden wir ein neues Teil für rund 50 Euro. Das Wechseln ein paar Tage später geht allerdings nicht so schnell von der Hand wie gedacht, die Anschlüsse sind total zerfressen. Da helfen nur viele, heftige Hammerschläge, bis sich die Verbindungsstücke vom Auspuff lösen. Es bleibt die einzige wirklich dreckige Arbeit am Benz. Ölverlust zeigt sich weder am Motor noch am Getriebe, die Bremsleitungen sind trocken und rostfrei. Der Unterboden bröselt selbst nach ein paar starken Klopfern nicht. Das sieht sehr gesund aus. Eine Werkstatt wechselte erst vergangenes Jahr Bremsscheiben und Beläge, da müssen wir nicht dran. Ein Schalter hier, ein Knopf daQuelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg Mit ein paar Schrauben lässt sich das Inlett des Kühlergrills schnell tauschen, das Ersatzteil kostet nur 21 Euro. Der Warnblinkerschalter fliegt mit etwas Druck aus der Mittelkonsole. Leider passt der bestellte Ersatzschalter nicht – obwohl es die gleiche Kennung war. Also umtauschen und einen anderen bestellen. Der steckt dafür ein paar Tage später schnell auf dem Kabelschuh. Die Lichtanlage funktioniert nun wieder einwandfrei. Den zerbrochenen Knopf des Handbremshebels mussten wir seltsamerweise in den USA bestellen, aber auch der kommt nach ein paar Tagen Lieferzeit an und ist schnell verbaut. Auch die angefressene Lippe des Scheibenwischers musste weichen, ein neuer Scheibenwischer kostet keine zehn Euro. Neuer Batterieplatte für den 190erGroße Überraschungen bleiben uns bei der gründlichen Untersuchung zum Glück erspart. Nach Abnahme der vorderen Innenraumkotflügel zeigt sich das Blech rund um den Radkasten und die Seitenschweller in sehr gutem Zustand. Ein bisschen Fluid-Film-Rostvorsorge kann dennoch nicht schaden. Auch die Wagenheberaufnahmen sehen gut aus, erhalten nur ein bisschen Mike-Sanders-Fett. Die total vergammelte Batterieplatte im Motorraum gibt es bei eBay in einem guten Zustand für wenig Geld. Bei der Demontage saugen wir die restlichen Blätter aus dem Motorraum und fluten die Ecken mit Fluid Film. Gleichzeitig frischen wir ein paar Tage die Batterie auf, laden sie nach. Defekte Zentralverriegelung: Wer kann helfen?Quelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg Das Problem mit der Zentralverriegelung bleibt aber bestehen. Der Verkäufer gab an, dass sich bei der linken Fondtür das Knöpfchen nicht hebt und die Tür deshalb verschlossen bleibt. Er tauschte bereits die Pumpe unter der Rücksitzbank, daran kann es also nicht liegen. Also machten wir uns auf die Suche, entfernten die Seitenverkleidung der Türen, kontrollierten die Unterdruckschläuche sowie Verbindungsstücke und die Stellmotoren. Einzeln funktionieren die Motoren, nicht aber zusammen. Vielleicht hat ein MOTOR-TALKer eine Idee. Bis zur Lösung des Problems ist die Pumpe abgeklemmt, der Benz lässt sich aber weiterhin mit dem Schlüssel an den vorderen Türen öffnen. Auf der Beifahrerseite allerdings mit einem Ersatzschlüssel. Ein wenig PatinaAnsonsten folgen nur noch Pflegearbeiten. Die schon grauen Leisten erhalten eine Kunststoffpflege, damit sie wieder in Schwarz strahlen. Auch die Stoßfängerleisten sehen nach etwas Pflege wieder gut aus. Die kleinen Kratzer vorne und hinten links stören nicht weiter, die kann man unter Patina verbuchen. Die für den Innenraum passende Mercedes-Farbe Mittelrot gibt es leider nicht für Stoffanwendungen, nur für Leder. Also bleibt die Hutablage verblichen ebenso wie die Stoffdichtung an der hinteren linken Tür. Nicht schlimm, aber frischer wäre auch ganz schön. Auch lässt sich die gebrochene Halterung des Verbandskastens in der Hutablage nicht einzeln wechseln, sondern nur die komplette Ablage – schöne Arbeiten für den Winter. Dann, wenn die Zentralverriegelung noch mal durchgemessen wird. Ein wenig OrangenhautQuelle: MOTOR-TALK / Fabian Hoberg Es folgt zum Schluss eine gründliche Fahrzeugreinigung innen und außen. Dabei fällt auf, dass der Benz reichlich nachlackiert wurde. Beide Seiten sowie der Kofferraumdeckel fühlen sich nach dem Kneten sauber und glatt an. Bei Gegenlicht wird aber eine leichte Orangenhaut sichtbar. Perfektionisten würden den Lack jetzt mit 3000er-Schleifpapier glätten, wir belassen ihn so. Man muss schon genau hinschauen, bis man die Arbeit erkennt. Dagegen fühlen sich der Mittelteil der Motorhaube und das Dach rau an. Nach einer Reinigungspolitur wird es zwar besser, aber die Oberfläche kann bei der Glätte mit den Seiten nicht mithalten. Doch starke Ausbleichungen hat das Blech nicht, auch keine Kratzer oder Rost. Also gönnen wir der Limousine zum Abschluss ein gutes Carnaubawachs. Jetzt kommt die Farbe Pajettrot-Metallic, Code 587, richtig zur Geltung. Sie sieht edel aus und passt wie die Innenraumfarbe gut zum Benz. Der 190er ist nun für die HU-Untersuchung fertig, Öl ist aufgefüllt, die Reifen haben den korrekten Luftdruck und bald geht es zur Prüfung beim TÜV Rheinland in Köln. Wenn nichts schief geht, erhält der Benz dann endlich sein offizielles Oldtimergutachten.
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