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Wir kaufen einen Oldtimer: Die 3. Besichtigung, Mercedes 190, W 201 - Vom Gebrauchten zum Oldtimer - Teil 5

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Aus einem guten Gebrauchten einen Oldtimer machen? Geht, wenn auch nicht immer leicht. Wir haben es ausprobiert und genau dokumentiert. Hier kommt Teil 5 unserer Serie: die dritte Besichtigung.

Video: Die dritte Besichtigung

 

30 Jahre auf dem Blech lassen ein Auto stark altern. Aber das macht noch keinen Oldtimer. Was genau ist notwendig, um das mit vielen Vorteilen verbundene H-Kennzeichen zu bekommen? Nachdem wir geklärt haben, wo die Vor- und Nachteile von Oldtimern liegen, gehen wir auf die Suche. Zuerst bei mobile.de, dann in fremden Garagen. Hier findet Ihr die anderen Teile der Serie: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 6 und Teil 7.

Berlin - Die Fotos auf mobile.de schrecken erst mal ab. Ein 190er mit roter Innenausstattung? Klingt pervers. Dafür lesen sich aber alle anderen Details sehr gut. Ein 200er mit Baujahr 1987, erst 96.000 Kilometer gelaufen, zweite Hand, lückenloses Scheckheft, gewartet ausschließlich bei Mercedes. Der letzte Ölwechsel liegt erst rund 2.000 Kilometer zurück. Bis 2015 fuhr der Erstbesitzer das Auto, ein älterer Herr. Dazu soll die Karosserie rost- und unfallfrei sein. Gut, das haben wir schon öfter gelesen, warten wir die Besichtigung ab.

Die Mängel

Bis auf ein paar Kleinigkeiten steht der Mercedes gut da Bis auf ein paar Kleinigkeiten steht der Mercedes gut da Quelle: MOTOR-TALK/mobile.de

Der 190er parkt unter einem Stoffverdeck in einer trockenen Tiefgarage. Der Lack sieht gut aus, die Radläufe noch besser. Ohne zu fragen zählt der Verkäufer alle Schwachstellen auf. So, als sei es ihm peinlich. Die 31 Jahre sind am Baby-Benz nicht spurlos vorübergegangen.

Der Stoßfänger hat ein paar Kratzer, die Sonne hat den Stoff an ein paar Stellen verblichen. An den inneren Türgriffen löst sich die Verklebung, sodass der Kunststoffbezug Blasen wirft. Die Zentralverriegelung hat der Verkäufer außer Betrieb gesetzt, da sie immer wieder pumpt und dennoch nicht die hintere rechte Tür öffnet.

Auch den Schließzylinder auf der Beifahrerseite hat er gewechselt, sodass der Benz nun zwei Schlüssel hat. Dann erwähnt er noch ein kleines Loch im Auspuff und einen ruppenden Scheibenwischer. Damit wären alle Mängel aufgezählt.

Die Spaltmaße stimmen

Ansonsten präsentiert sich der 190er im guten Zustand. Die Wagenheberaufnahmen sind vor einiger Zeit erneuert worden, vorne rechts nur nicht schön versiegelt. Einige Lackkratzer hat der Vorbesitzer professionell beseitigen lassen: Bis zur Fensterkante ließ er den Benz neu lackieren. Ein Unfallwagen sei der 190er aber nicht. Die Spaltmaße stimmen jedenfalls überall.

Bereitwillig zeigt der Verkäufer alle Papiere, darunter HU-Protokolle, Rechnungen von Mercedes, Wartungslisten und sogar die Verkaufsrechnung als Neuwagen. Mindestens einmal im Jahr sah der Benz eine Werkstatt von innen – nur zur Inspektion. So lässt sich der Kilometerstand sauber nachvollziehen.

Der Kilometerstand lässt sich anhand der Wartungsunterlagen gut nachvollziehen Der Kilometerstand lässt sich anhand der Wartungsunterlagen gut nachvollziehen Quelle: MOTOR-TALK/mobile.de Vergangenes Jahr bekam der Benz neue Ganzjahresreifen, eine neue Kupplung sowie Kupplungsnehmer und -geber. Selbst Hardyscheibe und Bremsen wurden erst vor wenigen Monaten getauscht. Die Schweller sind mit Mike-Sanders-Spezialfett geflutet. Rost bekommt dieser Benz keinen mehr.

Der Motor

Trotz kaltem Motor springt der 2,0-Liter-Vierzylinder sofort an, heult kurz auf und verfällt dann in einen ruhigen Leerlauf. Der erste Gang des manuellen Spargetriebes mit langem fünften Gang lässt sich leicht einlegen. Etwas die stramme Kupplung kommen lassen, und der Benz rollt leise los. Ein leichtes Knacken dringt bei der ersten Bodenwelle in den Fahrgastraum, auf Kopfsteinpflaster bleiben die Achsen aber leise.

Lenkung und Bremse arbeiten tadellos, halten das Auto beim Beschleunigen und Bremsen in der Spur. Die Nadeln der Anzeigen bleiben während der Fahrt ruhig, zittern nicht, das Schiebedach öffnet sich ruckfrei nach hinten. Auch die elektrische Anlage funktioniert einwandfrei – lediglich der Schalter der Warnblinkanlage bleibt stumm.

Bis zum vierten Gang können wir in der Stadt hochschalten. Aus dem Auspuff qualmt es zum Glück weder weiß noch dunkel, nur das kleine Loch macht sich mit einem hellen Klang bemerkbar. Bei laufendem Motor werfen wir im Stand einen Blick unter die Haube. Der Vierzylinder mit 118 PS ist sicherlich keine Rakete, doch er arbeitet ruhig, gleichmäßig und bestimmt noch ein paar Jahre zuverlässig. Auf der rechten Seite schwitzt der Block etwas Öl, der Kaltlaufregler für Euro 2 glänzt dagegen wie neu.

Das Beste ist aber die Farbe Pajettrot-Metallic, Code 587. In Natur sieht sie gar nicht mehr so grell aus, sondern edel. Passt irgendwie sehr gut zum 190er.

Nach kurzen Verhandlungen sind wir uns einig. Statt der geforderten 5.850 Euro schlagen wir bei 5.000 Euro ein. Kein Schnäppchen, aber ein guter Preis für ein solides und ehrliches Auto, nachdem wir jetzt lange gesucht haben.

Was jetzt noch gemacht werden muss:

  • Neuer Kühlergrill, da hier eine Stelle rausgebrochen ist
  • Warnblinkerschalter erneuern
  • Polster einfärben
  • Auspuff schweißen
  • Zentralverriegelung instand setzen
  • Schloss Beifahrerseite tauschen für alten Schlüssel
  • Dichtung Verbandskasten neu
  • Achsen abschmieren
  • Hohlräume mit Fluidfilm und Mike Sanders nachbehandeln
  • Wachsen, polieren, wachsen. Swizz-Öl hat der Kleine verdient.

 

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