Video: Wir kaufen einen Oldtimer: Die TÜV-Prüfung
Vom Gebrauchten zum Oldtimer - Teil 7
Aus einem guten Gebrauchten einen Oldtimer machen? Geht, wenn auch nicht immer leicht. Wir haben es ausprobiert und genau dokumentiert. Hier kommt Teil 7 unserer Serie: der Besuch beim TÜV. Dies ist übrigens der letzte Teil unserer Serie, aber nicht das Ende.
Video: Die TÜV-Prüfung
30 Jahre auf dem Blech lassen ein Auto stark altern. Aber das macht noch keinen Oldtimer. Was genau ist notwendig, um das mit vielen Vorteilen verbundene H-Kennzeichen zu bekommen? Nachdem wir unseren Traum-Oldie fit gemacht haben, fahren wir nun zum TÜV. Hier findet Ihr die anderen Teile der Serie: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6.
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Unseren Mercedes 190er haben wir extra sorgfältig ausgesucht, wochenlang aufbereitet, Teile bestellt und eingebaut. Nun kommt die Stunde der Wahrheit. Um als Oldtimer zugelassen zu werden, benötigt das alte Auto eine Prüfung nach „Richtlinien für die Begutachtung Oldtimern nach § 23 StVZO des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.“ Seit 1997 gibt es die Oldtimer-Zulassung, zu erkennen am H am Ende des Nummernschildes. Damit besteuert das Finanzamt Autos pauschal mit 191 Euro pro Jahr und Umweltzonen dürfen auch ohne Kat befahren werden.
Die Anforderungen für ein H-Kennzeichen
- Das Fahrzeug muss vor mindestens 30 Jahren erstmals in Betrieb genommen worden sein.
- Das Fahrzeug muss durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfer oder Prüfingenieur begutachtet werden.
- Die Begutachtung nach § 23 StVZO enthält mindestens eine Prüfung im Umfang einer Hauptuntersuchung und die Feststellung, ob das Fahrzeug als kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut betrachtet werden kann.
- Das Fahrzeug muss in einem erhaltungswürdigen Zustand sein. Dazu wird ein guter Pflege- und Erhaltungszustand als Abgrenzung zum "normalen alten" Fahrzeug vorausgesetzt.
Wir sind der Meinung: Ja, die Anforderungen erfüllt der Mercedes locker. Aber wie sieht das der Prüfer des TÜV Rheinlands? Also morgens schnell die Kurzkennzeichen beim Stadthaus holen, zur Schrauberhalle fahren, sie montieren und den Motor starten. Die Tankuhr zeigt noch halbvoll, also geht es gemächlich über die Autobahn zur Prüfstation, nach Köln-Mülheim. Dort wartet schon Prüfingenieur Thorsten Rechtien vom TÜV Rheinland. Er scheint gut gelaunt zu sein, schlendert lässig um den weinroten Benz, ist von der Optik angetan.
Die Prüfung der Handbremse - ein Klacks?
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Der Unterschied zur anderen Seite ist zu groß, 40 zu 160, eine Differenz von 75 Prozent. Rechtien probiert es ein paarmal. Das Ergebnis bleibt gleich. Leider schlägt sich das sofort aufs Endergebnis aus. Damit fällt der Benz durch die HU. Mist. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Auf der Bühne kann ich vieles kontrollieren, nur nicht die exakte Bremsleistung der Handbremse.
Bis auf die Handbremse: Keine Mängel
Wir überlegen. Abbrechen oder weiter prüfen? Nach kurzer Beratung prüft Rechtien weiter. Die Prüfgebühren von 106 Euro müssen wir sowieso bezahlen. Vielleicht findet er ja noch mehr. Auf dem Abgasstand bleibt der Benz im grünen Bereich, schafft die AU locker. Auch auf der Bühne findet der Prüfer keine weiteren Mängel. Lediglich das rechte Standlicht scheint defekt zu sein, hat aber nur einen Wackelkontakt, wie es sich hinterher herausstellt.
Ansonsten ist das Ergebnis wie erwartet: keine Mängel. „Der Mercedes ist gut gepflegt, hat keine Durchrostung und verliert auch kein Öl. Insgesamt macht das Auto einen guten Eindruck, bis auf die Leistung der Handbremse“, sagt er. Da die Handbremse nicht nur zum Parken, sondern auch als Notanker für die Betriebsbremse dient, muss sie einwandfrei funktionieren. Ja, das wissen wir und verstehen es auch, aber deswegen durch die HU zu rasseln, ist einfach nervig.
Auf ein Neues
Eine Oldtimerbegutachtung nach Paragraph 23 StVZO können wir uns sparen. Ein Fahrzeug mit erheblichen Mängeln erhält das Gutachten nicht. Aber es fehlt dazu nicht mehr viel. Also lassen wir uns gleich für die kommenden Tage einen neuen Termin geben, um nach der Nachuntersuchung endlich das ersehnte Gutachten zu erlangen.
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Wie viel ist der 190er wert?
Norbert Schroeder, TÜV-Rheinland-Sachverständiger und Leiter des Competence Center Classic Cars, schlenderte schon bei der HU die ganze Zeit ums Auto, schaut sich das Blech genau an. Ein paar Stellen wie die Orangenhaut am Blech fallen ihm sofort auf, auch das etwas unsauber verschweißte Blech an der Wagenheberaufnahme. Aber sonst ist er vom Anblick des 190er begeistert. „Der Mercedes hat viel Patina, wie die verblichenen Polster zeigen, aber im Großen und Ganzen ist das Auto original und in einem guten Zustand“, sagt er.
Mit dem Schichtendickmessgerät kontrolliert er die Lackdicke, kann damit Unfallschäden oder Spachtel-Höhlen aufdecken. „Einen groben Unfall hat das Auto nicht gehabt, obwohl es grobflächig nachlackiert wurde. An der hinteren rechten Stelle wurde gespachtelt, aber das sieht alles noch im Rahmen aus“, sagt er. Schröder fotografiert für seinen Bericht den 190er von allen Seiten, den Motor, die Fahrgestellnummer und den Innenraum. Für das abschließende Gutachten fehlen ihm allerdings noch die frische HU und das Oldtimergutachten.
Zurück auf die Bühne
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Dennoch fahre ich an dem Samstag kurz zur TÜV-Station in meiner Nähe. Nach 1,5 Stunden Wartezeit komme ich dran, der Prüfer fährt kurz auf die Rolle, bremst mit der Handbremse. Die packt nun besser, aber immer noch nicht richtig gut. Unter eine Abweichung von 45 Prozent kommt sie nicht. Der Prüfer ist nett, schickt mich weg mit den Worten: „Da musst du noch mal ran“. Mache ich. Oder besser der Mercedes-Schrauber meines Vertrauens, Kfz-Berner aus Bad Godesberg bei Bonn. Einer der Besten.
Den rufe ich am Montagmorgen sofort an, schildere ihm mein Problem. Das Kurzkennzeichen ist nur noch zwei Tage gültig, bis dahin muss der Benz wieder richtig bremsen und durch den TÜV, sonst muss ich mir noch mal ein Kurzkennzeichen besorgen.
Fehler gefunden und behoben
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Innerhalb eines Monats müssen wir das Auto wieder beim TÜV vorführen, dann untersucht der Prüfer nur die beanstandeten Stellen. Anschließend würden wir dann sofort das Oldtimergutachten in Auftrag geben. Es hat zwar nicht auf Anhieb funktioniert, aber beim zweiten Mal klappt es hoffentlich.
Geschafft - Wir haben einen Oldie
Dienstag, 13 Uhr. Wieder kommen die Bauchschmerzen. TÜV-Rheinland-Prüfer Krämer scheint aber locker zu sein. Doch was heißt das schon beim TÜV Rheinland? Er kontrolliert das Standlicht, okay. Jetzt geht es auf die Rolle. Er bremst erst vorne, dann hinten mit den Betriebsbremsen. Schließlich kommt die Handbremse dran. Kurzes Quietschen und sie packt, nur mit wenig Prozent Unterschied. Endlich, geschafft. Meine Nerven sind jetzt auch völlig runter. 36 Grad Außentemperatur, keine Klima. Aber der Benz hat die HU endlich, endlich geschafft.
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Die Kosten für das Projekt waren überschaubar: Neben dem Kaufpreis von 5.000 Euro kamen noch 961 Euro Material, Ab- und Anmeldegebühren, Reparaturen und die Versicherung für das Kurzkennzeichen hinzu. Meine Arbeitsstunden nicht eingerechnet. Für einen 31 Jahre alten Mercedes 190er mit nur 97.000 Kilometer Laufleistung und aus zweiter Hand, ausgefülltem Scheckheft, frischer HU und rostfreiem Zustand ist das nicht zu viel. Vor allem nicht in dieser außergewöhnlichen Farbe Pajettrot. Laut Gutachten ist der 190er jetzt 6.800 Euro wert und hat die Zustandsnote 3+.
Unserer Selbstversuch vom Gebrauchten zum Oldtimer ist damit beendet. Wir haben viel gelernt und den 190er lieben gelernt. Nun soll er weiterziehen. Wir wünschen uns für den schönen Mercedes jemanden, der ihn hegt und pflegt, wie das sein vorheriger Besitzer getan hat. Deshalb suchen wir nun einen neuen Besitzer für den Mercedes. Wie? Wo? Das erfahrt Ihr schon bald hier auf MOTOR-TALK.
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Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Quelle: Fabian Hoberg / MOTOR-TALK
Glückwunsch zum bestandenen H-Kennzeichen. Dann bin ich mal gespannt, wie der 201 unter die Leute kommen soll. Hätte da schon wirklich Interesse daran.
Goify, steigst doch wieder auf einen alten Benz um?
Der W201 gefällt auch mir, keine Frage, vor allem in diesem Farbton.
Aber eine stark unterschiedliche Bremswirkung kann man auf einer Hebebühne einigermaßen überprüfen, sodass der Unterschied nicht gleich 40:160 beträgt!
Dass irgendwann ein 190er kommt, ist so sicher wie das Amen... 😊
Einige sind schon in meinem Parkplatz auf mobile.de und beobachte den Markt. Dieser hier hat den Vorteil, dass er tatsächlich gut zu sein scheint und man sich einen langen Weg samt Enttäuschung sparen kann.
Ob er deinen Ansprüchen entspricht, wage ich zu bezweifeln.
Du steckst da noch einmal einiges rein, so wie ich dich kenne...🙄😉
" Deshalb suchen wir nun einen neuen Besitzer für den Mercedes. Wie? Wo? Das erfahrt Ihr schon bald hier auf MOTOR-TALK."
spendet ihn doch der Lebenshilfe Gießen e.V. 😉
aber gut, das ist halt nicht so werbewirksam wie die aktion, die da geplant ist.
Der 190er gehört durchaus immer noch zum Straßenbild. Solch ein haltbares Fahrzeug hat Mercedes weder davor noch danach gebaut.
enrgy, das ist wirklich eine gute Idee! 😊
So erfüllt der Benz auch noch einen guten Zweck!
Schöner Artikel der dem "H-Kennzeichensuchendem" Mut macht.
Hinweis zu Einstellen der Feststellbremse bei W201/124:
Man kann auf der Hebebühne oder hochgebockt (bei freihängender Hinterachse) einfach den Motor im 1. Gang laufen lassen und dann die Feststellbremse betätigen damit man/der 2. Mann hinten die zeitliche Gleichförmigkeit des Abbremsens bewerten kann. So stell ich die HA-Feststellbremse ein nachdem die klassische "Zähnchendrehmethode" bei mir nicht so recht klappen will.
Gruß
MikelRaccoon
Da muss das Differential aber mitspielen, nicht selten dreht sich nur eine Seite ... dann lieber per Hand drehen und nach Gefühl re/li einstellen, klappt dann auch alleine.😉
Ein Kfz Mechaniker der mit einem Oldtimer zur HU fährt ohne die Feststellbremse und Licht kontrolliert zu haben...
Um eine Feststellbremse zu überprüfen braucht man keinen Bremsenprüfstand...
Einfach auf die Bühne, ein oder zwei Rasten am Handbremshebel und dann müssen sich die Räder links und rechts gleichmäßig schwer drehen lassen, hat bei mir immer zu 100% bei der HU gleichmäßig funktioniert...
Und wenn das nicht der Fall ist, kann man sie einstellen und wenn man das nicht kann fährt man nicht zur HU...
Scripted reality. 😉
Da muss doch künstlich ein Spannungsbogen für die Story aufgebaut werden.
Gruß
electroman
Haha, noch net mal ne Plakette hatter bekommen. Und das als Kfz-Mechatroniker. Schämen soll er sich!
Selbst als Hausfrau kann man die Beleuchtungseintrichtung prüfen. Das ist doch das Mindeste das man prüfen kann.
Guter Bericht. Gefällt mir.
Wie viele sind denn davon noch zugelassen? So selten sind die doch gefühlt noch gar nicht. Heute kam mir in Leipzig sogar einer in dieser Farbe entgegen. 😊