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Könnte theoretisch die Rekuperation eines E-Motors die Hinterradbremse gänzlich ersetzen?
Heute habe ich einen Artikel gelesen dass der ID3 eine Trommelbremse einbaut weil die bauartbedingt korrosionsgeschützter sind, und da Rekuperation die meisten alltäglichen Bremsvorgänge ersetzt, reicht die Leistung aus.
Da habe ich mal weitergedacht - könnte man es soweit treiben dass man die Bremse gänzlich ersetzt? Ich weiß zurzeit hängt viel vom Akku ab, ob da überhaupt noch Strom rein passt und wieviel auf einmal etc. Aber klammern wir mal alle diese Variablen aus und nehmen einen federleichten 2-Sitzer Sportwagen an mit sagen wir so 1000 kg Gewicht und hauen den Motor von einem Model S P100D auf die Hinterachse, oder gleich 2, einen pro Rad (in dieser Fiktiven Situation nehmen wir mal an dass das reinpasst und sinnvoll ist ).
Könnte die Bremskraft der Rekuperation reichen um bei einer Vollbremsung genauso viel Bremsmoment zusammenzubringen wie ein Auto mit Trommel- oder Scheibenbremsen hinten?
Im Internet findet man leider nicht viele Werte bezüglich Bremskräften an der Hinterachse.
Beste Antwort im Thema
Ein weiteres Problem ist folgendes: Wenn es nur einen Motor gibt, der zum Bremsen verwendet wird, ist dieser über ein Differential mit den Rädern verbunden. Verliert eines der Räder den Grip, bremst auch das andere nicht mehr.
Bei mir in der Automatisierungstechnik bei Hebezeugen werden die Antriebe immer bis zum Stillstand elektrisch abgebremst und auch gehalten. Trotzdem gibt es immer noch eine mechanische Scheibenbremse als Haltebremse und Notbremse bei Netzausfall oder Elektronikfehlern.
20 Antworten
Ich habe mal gelesen, dass die Rekuperation bis zu einem fünftel an Bremsleistung einer Scheiben / Trommelbremse ausmachen kann.
also gänzlich ersetzen, vor allem in Gefahrensituationen wird die Rekuperation die klassische Bremse wohl erstmal nicht.
Theoretisch könntest du das Problem mit dem vollen Akku aber durch Kondensatoren umgehen
Und wenn Akku und Kondensatoren voll sind
In der Theorie geht das sicher, du kannst ja theoretisch den Motor Schlagartig zum stehen bringen (nicht unbedingt Rekuperation, sondern mit Stromaufwand).
Problem ist eher, die Ausfallsicherheit. Es wäre schon seit Jahren einfacher (und besser) jede Luftdruck Bremse am Anhänger elektronisch zu Steuern, aber die zwei Luftleitungen sind Ausfall sicher(er).
Den vollen Akku könnte man ja mit Widerständen - die dann einfach heiß werden - umgehen. Es geht aber eben nicht bis zum Stillstand - prinzipbedingt. Aber das könnte dann ja die Vorderbremse machen. Die Frage wäre ob man dafür aber nicht auch zwei unabhängige Systeme braucht?
In der Praxis ist es übrigens so, dass ich bei unserem BMW i3 wirklich die mechanische Bremse nur ganz, ganz selten benötige. (Ab und zu, vor allem bei regnerischem Wetter absichtlich um der Rostproblematik entgegen zu wirken) Also eben nur wenn etwas unvorhersehbares passiert. Im normalen Betrieb reicht es wirklich immer mit Rekuperieren. Außer natürlich bergab an die Ampel, da muss den letzten km/h auch die Scheibe übernehmen.
Ich habe mal etwas weiterrecherchiert, und diese Formel gefunden: https://en.wikipedia.org/wiki/Weight_transfer#Cause
Ich habe mal 40cm für den Schwerpunkt gewählt (GT86 45cm, E-Autos haben generell niedrigere Schwerpunkte). Mit 1000kg Gewicht einer 50:50 Gewichtsverteilung, einer hoch geschätzen Verzögerung von 1.2g (911 GT3 Niveau) und einem Radstand von 2400mm erhalte ich folgenden Wert: (40*1000*(9.81*1.2)/(2400*9.81) ~ 20 + 50 = 70
Also müssen hinten 30% des Gewichts gebremst werden, also 300kg.
Dann habe ich noch die Formel für Arbeit gefunden beim bremsen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Braking_distance#Energy_equation
Eingesetzt wären das 1.2*300kg*9.81*1m = 3531J oder Nm für die Verzögerung von 1m.
Ich habe keine Ahnung ob da Fehler drinnen sind, vielleicht ist ja ein Physik/Mathe Guru im Forum um es zu prüfen.
Zitat:
@9891 schrieb am 13. Februar 2020 um 15:47:02 Uhr:
In der Theorie geht das sicher, du kannst ja theoretisch den Motor Schlagartig zum stehen bringen (nicht unbedingt Rekuperation, sondern mit Stromaufwand).
Und das würde nicht die Motoren schädigen? Bzw kann man das regulieren oder ist das on/off?
Ich denke mal das Problem der Ausfallssicherheit könnte man mit Redundanz der Steuergeräte und Leitungen lösen.
Moin.
Theoretisch eine gute Idee. Allerdings bräuchte es wirklich "Bremswiderstände", wie sie E-Loks und dieselelektrische Lokomotiven auf dem Dach haben, um die maximale Bremsleistung unter allen Umständen zu gewährleisten (also auch wenn Akku voll oder kalt oder heiß).
Das zweite "Problem" ist eher juristischer Natur. Für PKW sind 2 unabhängige Bremssysteme (Kreise) vorgeschrieben. Senn du nun einen Antriebsmotor als Basis der Bremse nimmst, ist die Bremse nicht mehr unabhängig.
Und zu guter Letzt, die Bremsen müssen unter ALLEN Umständen funktionieren, also ach bei Ausfall des Antriebs oder der Elektronik. Und da hast du dann das Problem, der Inverter gehört zum Antrieb, Antrieb kaputt, Inverter deaktiviert, Bremse ebenso, Elektronik gestört, Bremse außer Funktion.
Das große Plus der hydraulischen Systeme ist, sie funktionieren so lange, wie du auf das Pedal trittst. Es fällt vielleicht der Bremskraftverstärker weg, aber die Bremse ist auch dann noch nicht vollkommen funktionslos.
Ein weiteres Problem ist folgendes: Wenn es nur einen Motor gibt, der zum Bremsen verwendet wird, ist dieser über ein Differential mit den Rädern verbunden. Verliert eines der Räder den Grip, bremst auch das andere nicht mehr.
Bei mir in der Automatisierungstechnik bei Hebezeugen werden die Antriebe immer bis zum Stillstand elektrisch abgebremst und auch gehalten. Trotzdem gibt es immer noch eine mechanische Scheibenbremse als Haltebremse und Notbremse bei Netzausfall oder Elektronikfehlern.
Zitat:
@Ferruwerkstatt schrieb am 13. Februar 2020 um 19:58:18 Uhr:
Ein weiteres Problem ist folgendes: Wenn es nur einen Motor gibt, der zum Bremsen verwendet wird, ist dieser über ein Differential mit den Rädern verbunden. Verliert eines der Räder den Grip, bremst auch das andere nicht mehr.
Interessant, daran hatte ich nicht gedacht, macht aber Sinn. Das würde bedeuten die Bremskraft hängt vom kleinsten gemeinsamen Nenner ab, evtl gleich null wenn ein Rad im Schnee, auf Eis oder Schotter ist. Dann würde so ein System nur mit Motor für jedes einzelne Rad funktionieren, und dann hat man immer noch die Ausfallproblematik die @BaldAuchPrius beschreibt.
Stemple ich also mal ab unter theoretisch eine gute Idee, aber in der Praxis nicht ausfallssicher. Wird vielleicht einmal im Rennsport so sein wenn die Bremsleistung ausreichen wird, die ungefederten Massen dürfte man dadurch ja ziemlich reduzieren.
Der Taycan kann mir 265kW rekuperieren, was einer negativen Beschleunigung von 0,2g entspricht.
Müsste mal jemand prüfen, ob das fürs bremsen reicht. Ich denke für die Stadt auf alle Fälle.
Dass das nicht reicht, dürfte doch wohl klar sein.
Wer dazu etwas mehr lesen möchte:
Eine Betriebsbremse muss mindestens 5 m/ s² mittlere Verzögerung schaffen, sprich ein Fahrzeug muss aus 25 m/ s nach 5 Sekunden stehen.
Allein die Bremskraft müsste also höher sein.
Zudem muss zwingend eine zweite Bremseinrichtung vorhanden sein, welche komplett unabhängig von der Betriebsbremse funktioniert (dass in dem Zuge elektrisch gesteuerte Feststellbremsen zulässig sind, wirft schon genug Fragen auf).
Die Peakleistung ist dabei, wie so oft, völlig uninteressant. Wichtig ist, was im Mittel an Leistung erreicht wird. Bei einer Bremse ist die Leistung bei konstanter Bremskraft und sinkender Drehzahl logischerweise zu Beginn besonders hoch und nimmt dann mit sinkender Drehzahl ab. Dabei sollte sich die Bremskraft an der Haftgrenze des Reifens orientieren, um das Maximum rauszuholen.
265 kW sagt entsprechend wenig aus, wenn das zugehörige Tempo nicht bekannt ist und insbesondere wenn der gesamte Verlauf nicht bekannt ist. Das mag bei Tempo X vielleicht zu 0,2 g Verzögerung führen, eine halbe Sekunde früher sah das aber vielleicht noch anders aus.
Zitat:
@FWebe schrieb am 13. Februar 2020 um 21:14:54 Uhr:
Zudem muss zwingend eine zweite Bremseinrichtung vorhanden sein, welche komplett unabhängig von der Betriebsbremse funktioniert (dass in dem Zuge elektrisch gesteuerte Feststellbremsen zulässig sind, wirft schon genug Fragen auf).
Der erste Teil richtig, der zweite falsch.
Ein Auto braucht 2 komplett unabhängige Bremssysteme, das ist aber bereits mit der Zweikreisigkeit heute üblicher Hydraulikbremsen erreicht.
Damit erübrigt sich auch die Frage nach der elektronischen Handbremse, diese ist nur reine Feststellbremse, aber nicht die Hilfsbremse. Zumal diese ja genau daher so gesteuert werden dass sie oberhalb einer sehr niedrigen Geschwindigkeitsschwelle gar nicht mehr angesteuert werden.
Ob ein E-Motor reicht kann man ja mal weiterrechnen. Die Energie die abgebaut wird hatten wir ja schon hier vorgerechnet. Das Problem wird aber die Leistung. Heutige Autos erreichen Verzögerungen von >10m/s2. Heutiges Auto, mit bisschen Gepäck sagen wir mal mit 1800kg unterwegs. 1/3 davon muss die Hinterradbremse, wären anteilig 600kg.
~6000N Bremskraft. 100km/h sind knapp 30m/s-> Leistung = Kraft mal Geschwindigkeit = 180kW
Da ist die Peakleistung genau der entscheidende Punkt bei der Auslegung. Die 180kW schon bei dem Tempo muss wenn der E-Motor als Bremse eingesetzt wird halt jederzeit abgerufen werden können. Egal ob Akku kalt, warm, leer, voll, ... je höher das Tempo und je höher das Gewicht desto stärker fällt das ins Gewicht.
Wenn man mal die Hand vor einen üblichen Heizlüfter hält - das sind als Relation um die 2kW.
Ein E-Auto kann mit Rekuperation nicht schneller bremsen als es beschleunigen kann. So sehr es in 90% der Fällen reicht - für die restlichen 10 ist eine korrosionssichere Bremse notwendig.
Zitat:
@Moers75 schrieb am 14. Feb. 2020 um 11:13:08 Uhr:
Da ist die Peakleistung genau der entscheidende Punkt bei der Auslegung.
Aber eben nicht die Peakleistung der Bremse, sondern die Ladeleistung des Akkus und natürlich des eigentlichen Antriebsstrangs.
Eine Bremse muss auch bei 200 km/ h eine mittlere Verzögerung von 5 m/ s² erreichen, eine Tempogrenze ist nämlich nicht vorgeschrieben.
Bei gleicher Bremskraft kann man die Bremsleistung gegenüber 100 km/ h dann mal eben verdoppeln. Die andere Alternative ist natürlich eine Beschränkung in der Vmax, wobei das Thema Beladung dann noch immer berücksichtigt werden muss. Man kann also ganz großzügig die Bremsleistung bei 100 km/ h verdoppeln, dann bewegt man sich in einem Bereich, wo es interessant wird. Das löst dann aber noch immer nicht das Problem mit dem Differenzial.
Wobei die Überlegung an sich sowieso etwas überflüssig ist, weil auch beim Verbrenner die Bremsen schon ziemlich lange halten, wenn man passend fährt und beim Elektroauto geht es ja überwiegend nur noch darum, die Bremse rostfrei zu halten, was sich aber mit einer vernünftigen Steuerung der Bremse quasi von selbst erledigen lässt. Unter 30 km/ h wird sie dann z.B. immer pauschal mitgenutzt und bis zum Stillstand immer stärker eingebunden. Dann wird dort rekuperiert, wo auch im Alltag die höhere Bremsleistung anfällt (bei höheren Tempi) und mit den niedrigen Geschwindigkeiten dann die Bremse freigehalten.
Es geht in der Frage glaube ich weniger um lange halten als eher um die Frage ob man die Bremse nicht gleich weglassen kann. Kosten, Gewicht, Verschleiß, ...
Auf gesetzliche Anforderungen wird zudem heute eh keine Bremse mehr ausgelegt. Ein Auto was nur noch die 5,8m/s2 erreicht würde heute keiner mehr fahren wollen.
Die Peakleistung ist da eben das Problem. Dass das nur den E-Motor an sich betrifft hat ja auch keiner Behauptet. Akku, Leistungselektronik, Verkabelung - das ganze Paket muss die Leistung jederzeit und unter allen Bedingungen leisten können um eine Bremse ersetzen zu können.
Eine Bremswirkung, die auf Rekuperation/Induktion basiert, funktioniert Prinzip- bedingt nicht bis zum Stillstand (jedenfalls nicht mit konstanter, hinreichender Bremsleistung).
Man braucht entweder noch eine mechanische Bremse oder man müsste elektrisch, mit dem Antriebsmotor auf der Achse gegen wirken (da habe ich Zweifel an der Sinnhaftigkeit).