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Mit zwölf Jahren Auto fahren. Ganz legal - Die Fahrschule für Kinder

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Smartphones statt Autos. So die Aussagen einiger Studien über die Interessen Jugendlicher. Jaguar und Land Rover entgegnen dem mit einem neuen Marketing-Instrument.

Wülfrath – Konrad ist zwölf Jahre alt und 1,70 Meter groß. Er wohnt in Köln, sein ständiger Begleiter ist das heißgeliebte Smartphone. Sitzt er nicht in der Schule oder lernt zuhause, daddelt er am Handy. Für ihn die Mobilität in Hosentaschenformat. Dennoch interessiert er sich für Autos, am liebsten für ganz große und ganz schnelle. Selbst fahren durfte er noch nie.

Das ändert sich an einem Sonntag, ganz legal. Jaguar Land Rover bietet als einziger Hersteller in Deutschland ein Fahrtraining für Kinder zwischen 11 und 17 Jahren an. Auf der Beifahrerseite der Autos finden sich wie bei einem Fahrschulauto im Fußraum Pedale für Gas und Bremse. So kann der Trainer bei einem Fahrfehler eingreifen. Gefahren wird auf abgesperrten Privatgeländen und einer ruhenden Kalk-Sandsteingrube in Wülfrath bei Düsseldorf.

Aufgeregt öffnet Konrad die Tür des Jaguar F-Pace, erklimmt mit einem großen Satz den Fahrersitz. "Ist das cool", sagt er und lümmelt sich wie ein Rapper aus einem Musikvideo in die Ledersitze: lässig nach hinten gelehnt, eine Hand auf dem Lenkrad, für ihn die einzige richtige Sitzposition. Instruktor Martin de Jong greift gleich ein. Er erklärt Konrad, wie es richtig geht und stellt mit ihm den korrekten Abstand zu Pedalen und Lenkrad ein. "Beim Sitz- und Lenkradeinstellen gibt es keinen Unterschied zwischen Kindern und routinierten Autofahrern, das machen fast alle falsch", sagt de Jong.

Das Interesse am Auto nimmt bei jungen Menschen ab

Seit 2001 arbeitet der 50-Jährige als Instruktor, seit einem Jahr für Schüler ohne Führerschein. "Du brauchst Keinen verpetzen und nicht sagen, wo du dir das abgeschaut hast, aber jetzt setz dich mal gerade hin, stell die Lehne steiler und halte mit beiden Händen das Lenkrad fest", sagt de Jong.

Noch den Sicherheitsgurt anlegen, leicht stramm ziehen und Konrad darf den Startschalter drücken. Beim ersten Mal tippt er zu zaghaft drauf, nur die Kontrolllampen leuchten. Erst beim zweiten Mal vibriert der Diesel unter der Haube – und Konrads Hände gleich mit. Mit dem Fuß auf der Bremse dreht er den Wählhebel auf D, darf die Bremse nun langsam lösen – und freut sich wie ein Kind, das er auch ist.

Immer weniger junge Menschen machen mit 17 oder 18 Jahren ihren Autoführerschein, fahren seltener mit dem eigenen Auto. 2005 fuhren nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) 73 Prozent der 25- bis 29-Jährigen Auto, 2016 waren es nur 60 Prozent. Das Center of Automotive Management (CAM) der FH Bergisch Gladbach hat in einer Studie ermittelt, dass 18- bis 25-Jährige sich weniger für Autos interessieren als ihre Vorgängergeneration. Vor allem, wenn sie wie Konrad in der Stadt leben: 55 Prozent der jungen Erwachsenen halten einen eigenen Pkw für "wichtig" oder "sehr wichtig". Bei den Stadtbewohnern unter 25 Jahren sinkt der Wert auf 36 Prozent. Ein großer Teil der Generation Z hat praktisch keine emotionale Bindung zum Auto mehr.

"Autofahren ist ja voll geil"

Konrad gehört definitiv nicht dazu. Zuerst tippt sein rechter Schuh vorsichtig das Gaspedal, der Jaguar rollt los, Konrads Grinsen wird größer. Nach ein paar Runden auf dem Parkplatz setzt ein bisschen Fahrgefühl ein, nur bei den ersten Vollbremsungen bei 30 km/h tritt er zu schwach aufs Pedal. "Du musst voll reintreten, wie in einen Fußball vor einem Tor", sagt Instruktor de Jong. Beim nächsten Versuch klappt es besser, de Jong ist zufrieden, lässt den Jaguar auf bis zu 60 km/h beschleunigen, dann wieder stark abbremsen. Immer und immer wieder.

Er erklärt seinem Fahrschüler das Zusammenspiel von Reaktionszeit, Bremsweg und Anhalteweg, wie wichtig das gedrosselte Tempo in einer 30er-Zone ist. "Gas geben können alle Jungs gut, wichtiger ist aber das starke Bremsen", sagt er. Erst dann treten ABS und Bremsassistent in Aktion, verkürzen den Bremsweg. "Das ist ja voll schwierig", meint der Zwölfjährige erstaunt. Bevor es durch eine Slalom-Pylonengasse und ans Rückwärtseinparken geht. Er presst die Lippen aufeinander – sein Zeichen, dass er sich anstrengt. Konrad ist nach anderthalb Stunde Auto fahren heiß wie das Motoröl, er fährt von Runde zu Runde immer begeisterter, darf den Jaguar F-Pace mit 180 PS auf bis zu 70 km/h beschleunigen. "Autofahren ist ja voll geil", sagt er, bevor er seinen Fahrersitz räumen muss. "Es hilft alles nichts, wir müssen wieder tauschen", sagt de Jong und fährt den Jaguar in die Kalk-Sandsteingrube.

Ab ins Gelände

Dort wartet Sebastian Grunert mit einem weißen Land Rover Discovery Sport. Konrad klettert sofort hinein, stellt Sitz und Lenkrad auf seine Größe ein, will am liebsten direkt los ins Gelände. Doch Grunert erklärt ihm erst mal Grundsätzliches bei Geländefahrten. "Auch wenn es dir schwer fallen wird: Hier geht es um Langsamkeit, darum, die Strecke zu lesen und zu verstehen", sagt Grunert. 75 Prozent Steigung, 110 Prozent Gefälle, Wasserdurchfahrten und Verschränkungen. Das Areal umfasst zwölf Hektar - ungefähr 17 Fußballfelder - und wurde schon in den Siebzigerjahren stillgelegt. Eine große Spielwiese für große und kleine Jungs.

Konrad legt geübt die Fahrstufe ein, rollt los. Statt 20 km/h hat er mehr auf dem Tacho, die kleinen Steine tanzen durch die Radhäuser. Instruktor Grunert bremst ihn ein, dirigiert ihn durch die matschigen Wege. "Das Auto lenkt ja alleine", sagt Konrad und ist erstaunt, dass das der Untergrund mit seinen tiefen Furchen macht. Ohne festen Händegriff schwingt das Auto hin und her, Grunert korrigiert leicht. "Hier zählen viel Fahrgefühl und Langsamkeit, sonst setzen wir auf", sagt er. Konrads Augen werden größer, der Biss auf die Lippen fester. Mit Schwung klettert Konrad mit dem Land Rover einen Berg hinauf, durchquert anschließend gekonnt einen Fluss. Schon fast wie ein Abenteuer-Profi.

Jaguar und Land Rover wollen das Angebot weiter ausbauen

Rund 300 Fahrtrainings laufen hier im Jahr, davon seit Frühjahr 2017 nun auch die alle zwei Wochen stattfindenden Fahrertrainings für Kinder. Die Kinder müssen mindestens elf Jahre alt sein und eine Körpergröße von 1,42 Meter haben. Der Spaß im Wülfrather Gelände kostet 150 Euro, für zwei Kinder 200 Euro und für drei 225 Euro. Den gleichen Preis verlangt Jaguar seit diesem Mai für die Fahrten auf der Straße, bietet sie jedoch an verschiedenen Orten in Deutschland an.

Besondere Vorkenntnisse brauchen die Kids nicht. Die Eltern scheint der Preis nicht zu stören: Die Kinderfahrtrainings sind regelmäßig ausgebucht, bisher haben mehr als 120 Jugendliche daran teilgenommen. Deshalb sollen neben den beiden aktuellen Fahrschulautos dieses Jahr noch zwei weitere umgerüstet werden.

Das Scharfmachen auf ein Auto scheint bei Kindern zu klappen: Für Konrad ist nach dem Fahrtraining klar, dass er in ein paar Jahren einen Führerschein machen will und es ein eigenes Auto sein muss. Dafür hat er während seiner dreistündigen Fahrt seine eigentliche Mobilität vergessen. Sein Handy lag die ganze Zeit über im Auto seines Onkels – er hat es nicht vermisst.

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