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Le Mans, WEC, Langstrecken-WM: Grundlagen, Hintergrund - Ein Supersportwagen als rollendes Hindernis

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In manchen Rennserien wird gekämpft wie beim Wrestling, in dieser taktiert wie beim Schach. Le Mans und die Langstrecken-WM sind komplex. Und gerade deswegen spannend.

Bald startet die World Endurance Championship - jene Serie, zu der das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gehört. In dieser Saison sogar zweimal. MOTOR-TALK besuchte die Testfahrten in Le Castelet Bald startet die World Endurance Championship - jene Serie, zu der das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gehört. In dieser Saison sogar zweimal. MOTOR-TALK besuchte die Testfahrten in Le Castelet Quelle: Porsche

Ein GT-Rennwagen biegt mit zwei Prototypen-Flundern im Schlepptau auf die kurze Start/Zielgerade von Le Castelet. Innerhalb von wenigen hundert Metern stürzen sie die Reihenfolge – und verändern auf ewig meine Idee der Strapazierfähigkeit eines Trommelfells. Es ist der Erstkontakt mit einer Welt, in der Supersportwagen gleichzeitig Stars und rollende Hindernisse sind.

In dieser Welt haben Tage bis zu 30 Stunden. Und das Abdrängen erfolgt manchmal abseits der Rennstrecke. Erfahrung zählt viel, doch viele Teams suchen nach Novizen. Das ist die World-Endurance-Championship - wichtigste Sportwagenserie der FIA, Schachpartie des Motorsports. Unsere Orientierungshilfe vor dem Saisonstart 2018/19.

Die Saison: Alles für Le Mans

Kein schlechter Ort für lange Tests: In Le Castelet sind viele Ausläufe asphaltiert, das Risiko für derbe Abflüge gering Kein schlechter Ort für lange Tests: In Le Castelet sind viele Ausläufe asphaltiert, das Risiko für derbe Abflüge gering Quelle: Porsche Wir sind beim offiziellen Testtag der Serie auf dem Circuit Paul Ricard. Theoretisch dürfte jedes Team hier 30 Stunden fahren – am Stück. In der Praxis spielt fast keiner der großen Player die gesamte Zeit im Wettbewerbsmodus durch. Ihre Langzeitversuche spulten die Werksteams bereits ab – jedes für sich und bis zu 48 Stunden lang. Bei den meisten der sechs WM-Läufe fällt die Zielflagge schon nach sechs Stunden. Das Hauptaugenmerk gilt bei der Entwicklung dem 24-Stunden-Klassiker in Le Mans.

Ein (Klassen-)Sieg hier zählt für viele Rennställe mehr als der WM-Titel. In dieser Saison besteht zweimal die Chance: Der Rennkalender aus acht Läufen erstreckt sich über zwei Kalenderjahre. Los geht’s am 5. Mai 2018 in Spa, gefolgt vom diesjährigen Le-Mans-Rennen, das Finale steigt bei den 24-Stunden von Le Mans 2019.

Die Autos: GTE-Racer als neue Stars

Der Gesamtsieger wird bei beiden 24-Stunden-Rennen dieser „Super-Saison“ mit großer Wahrscheinlichkeit Toyota heißen. Nach dem Ende von Porsches Prototypen-Programm sind die Japaner das letzte echte Werksteam in der Spitzenkategorie LMP1 (kurz für Le Mans Prototype). Und die einzigen mit Hybrid-Technologie. Die maximale Systemleistung liegt bei rund 1.000 PS, LMP1-Autos mit reinem Verbrenner sind gut 300 PS schwächer. In Le Castelet fehlten den kleinen LMP1 mehrere Sekunden auf die Toyota-Bestmarken, die Hybride flogen auf der Geraden mühelos vorbei. Aus eigener Kraft schlagen sie die Japaner am Circuit de la Sarthe (oder sonst wo) nicht.

Der Klassen-Neuling BMW M8 GTE nutzt einen aufgeladenen 4,0-Liter V8 Der Klassen-Neuling BMW M8 GTE nutzt einen aufgeladenen 4,0-Liter V8 Quelle: BMW Zwei Prototypen-Mannschaften arbeiten eng mit einem Hersteller zusammen. In der LMP1 unterstützt Sportwagenbauer TVR das schweizer Rebellion-Team. In der schwächeren Kategorie LMP2 (rund 600 PS) tritt das Signatech-Team für die Renault-Tochter Alpine an. Herausforderer ist unter anderem das Team von Hollywoodstar Jackie Chan.

Rege Beteiligung der Autobauer gibt es aktuell nur in der GT-Kategorie. Porsche 911 RSR, Aston Martin Vantage, BMW M8 und Ford GT fordern Titelverteidiger Ferrari und den 488 Evo. Die rund 510 PS starken Autos der GTE-Kategorie haben weniger mit einem Serienmodell gemein als die vom 24-Stunden-Rennen am Nürburgring bekannten GT3-Fahrzeuge. Den leichteren und stärkeren Prototypen sind sie klar unterlegen.

Die Sportwagen sind breiter, der Einbauort des Aggregates darf verändert werden. Der klassische Hecktriebler 911 tritt hier beispielsweise mit Mittelmotor an. Damit können die Stuttgarter einen größeren Heckdiffusor nutzen, mehr Abtrieb generieren. Der 911er für die WEC kostet für Kundenteams ab 991.000 Euro. Alle sieben bislang gefertigten Exemplare gingen weg.

Bop, der Ausgleicher

Auf unserem Streifzug durch die Boxen hören wir ein Wort besonders oft: Bop. Kurz für Balance of Performance. Der Veranstalter will möglichst gleiche Verhältnisse unter den Fahrzeugen einer Klasse. Ist ein Team überlegen, wird die Leistung (mittels Restriktor oder anderer Motorsteuerung) gedrosselt oder das Gewicht angehoben.

Ob man das fair regeln kann? Wir trafen auf niemanden, der mit der Einstufung seiner Konkurrenten zufrieden war. Kann man als Anzeichen für die Fairness des Systems werten. Vielleicht noch als Hinweis auf eine Kultur des Jammerns im WEC-Fahrerlager. Im professionellen Motorsport arbeiten eben auch nur Menschen.

Silber ist Gold wert. Gold oft nicht

Titelverteidiger in der GTE-Klasse für Profis: Der Ferrari 488 Titelverteidiger in der GTE-Klasse für Profis: Der Ferrari 488 Quelle: Ferrari Das sieht man in den Boxen der Privatteams. Hier ist nicht jeder Träger eines Fahreroveralls ein Profi: Die Anzahl der Privatpersonen ist hoch, solvente Hobbypiloten in der WEC erwünscht – ja sogar mitunter vorgeschrieben. Die Organisatoren teilen das Fahrerfeld in Fahrer mit Bronze, Silber und Gold (bzw. Platin)-Status auf, abhängig von Erfahrung und früheren Erfolgen. In der Amateurwertung der GT-Sportwagen müssen mindestens zwei Piloten den langsamen Kategorisierungen entstammen. Die bronzenen Herrenfahrer konnten in Le Castelet das Tempo der Profis meist nicht mitgehen.

„Entscheidend ist ein schneller Silber-Fahrer“, erklärt Porsche Motorsportchef Frank-Steffen Walliser. Klar, im Idealfall ist er dem Goldjungen aus dem Werkskader ebenbürtig, doch als Newcomer im GT-Sport noch niedriger eingestuft. Wird ein Amateur offiziell zum Profi, bleiben die Aufträge schnell aus. „Die Teams durchforsten vor der Saison die Mannschaftslisten ihrer Konkurrenten ganz genau, beantragen häufig einen höheren Status für einen Fahrer“, ergänzt Walliser.

Große Alpha-Tiere und kleine Gemeinheiten

23 Stunden überleben und dann in der letzten Stunde angreifen? Das war einmal. Heute wird im Langstreckensport von Beginn an attackiert - und trotzdem taktiert 23 Stunden überleben und dann in der letzten Stunde angreifen? Das war einmal. Heute wird im Langstreckensport von Beginn an attackiert - und trotzdem taktiert Quelle: Porsche Was einen guten WEC-Piloten ausmacht? Wir fragten einen der besten. Richard, Lietz, GT-Weltmeister von 2015: „Du musst ein Teamplayer sein. Dem Kollegen beim Fahrerwechsel ein Auto übergeben, mit dem er noch konkurrenzfähig sein kann." Das beträfe vor allem den Zustand der Reifen: "Mit hartem Anbremsen killst du sie nicht so sehr. Aber wenn du in der Kurve überlenkst, leidet der Slick." Außerdem sei die Zusammensetzung der Fahrercrew entscheidend: "Man kann nicht lauter Alpha-Tiere auf ein Auto geben."

Im Fahrerlager vernehmen wir wilde Geschichten von den Folgen schlechter Personalpolitik. Von Piloten, die beim Aussteigen noch schnell den Hebel für die Bremsbalance verstellten - der Teamkollege hätte schließlich mit demselben Setup schneller sein können. Fahrer, die aus demselben Grund die Räder in der letzten Runde ihres Stints durch den Schmutz neben der Ideallinie ziehen. Alles Fahrerlagerlegenden, nur WEC-Garn?

Zumindest in der heutigen Zeit erscheinen solche Aktionen unwahrscheinlich. Zu eng liegen die Teams der einzelnen Klassen aktuell beisammen. "23 Stunden überleben und in der letzten Stunde angreifen, das war einmal. Heute wird in Langstreckenrennen von Anfang an attackiert." Die Züge und Rochaden erfolgen in diesem Schachspiel außerhalb der Cockpits.

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