Renaults mittleres SUV geht in die zweite Phase seines Lebenszyklus. Der Kadjar kommt mit neuen Motoren und unverändertem Anspruch. Erste Fahrt im kompakten Hochbeiner.
Sardinien – Über die Sinn-Frage sind wir längst hinaus: Kompakte SUV sind einfach beliebt - auch und gerade, wenn man nichts höheres als Gehsteigkanten überwindet. Aktuell wächst die Nachfrage in keinem automobilen Segment stärker. Das Angebot wächst mit. Beim Marktstart des Kadjar im Jahr 2015 gab es laut Hersteller rund 25 Konkurrenten. Für das geliftete Modell identifizierte Renault in etwa 40 Widersacher – den beliebteren VW Tiguan, die günstigeren Hyundai Tucson und Kia Sportage, den technisch eng verwandten Nissan Qashqai. Und viele C-Segment-Hochbeiner dazwischen. Was im breiten Feld für den überarbeiteten Kadjar spricht? Was ab Januar 2019 anders wird als bislang? Klärten wir auf der ersten Testfahrt. Neuer 1,3-Liter-Vierzylinder in zwei LeistungsstufenQuelle: Renault Optisch veränderte Renault das mittlere SUV zwischen Captur und Koleos nur im Detail. Der angedeutete Unterfahrschutz wurde breiter, die Blinker sind nunmehr im Tagfahrlicht integriert. Hinten verwenden die Franzosen fortan reine LED-Leuchten. Der Renault Kadjar teilt sich das Chassis wie gehabt mit dem Nissan Qashqai. Die Japaner stellten bei der gelifteten Version jüngst ihr Benziner-Angebot um – der überarbeitete Kadjar trägt das modernere Downsizing-Aggregat von Beginn an. Namentlich also einen aufgeladenen 1,3-Liter-Vierzylinder mit wahlweise 140 oder 159 PS. In beiden Konfigurationen steckt ein Otto-Partikelfilter im Abgastrakt. An die Ottomotoren werden wahlweise ein manuelles Sechsgang-Getriebe oder ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe geschraubt. Bei gleicher Ausstattung trennen den schwächeren, handgerührten Benziner und den stärkeren Ottomotor mit zwei Pedalen exakt 3.000 Euro. Aus längsdynamischer Sicht können sich wohl einige Kunden die Summe sparen. Oder wenigstens darüber nachdenken. Denn das Einstiegsaggregat liefert gefühlt ab rund 2.800 Umdrehungen ausreichend Vortrieb, kommt im oberen Drehzahlbereich passabel zurecht. Zugegeben, wer den mindestens 1.437 Kilo schweren Renault richtig schaltfaul fahren möchte, wird mit der Wahl nicht immer glücklich. Das maximale Drehmoment von 240 Newtonmetern liegt zwar bei frühen 1.600 Umdrehungen an, doch die Getriebeuntersetzung wählte Renault vergleichsweise lang. Das nutzbare Drehzahlband ist im 159-PS-Benziner breiter. Unten wirkt der 260 Newtonmeter starke Motor geringfügig besser, die echte Überlegenheit gegenüber dem Basis-Aggregat besteht ganz oben. Dort sieht das Doppelkupplungsgetriebe den 1,3-Liter jedoch allzu gerne, was eine unnötige hohe Geräuschkulisse im an sich gut gedämmten Kadjar beschert. Nur ein Allrad im ProgrammFür beide Benziner gibt Renault den gleichen Verbrauch an. Realitätsfern sind die 5,6 Liter (WLTP) nicht unbedingt. Auf unserer Testrunde zeigten die Bordcomputer beider Autos etwas mehr als 6 Liter – trotz gelegentlich beherzter Fahrweise. Quelle: Renault Die ersten Benziner-Modelle werden bereits im Januar 2019 bei den Händlern stehen. Diesel-Alternativen sind in diesem Zeitraum zumindest bestellbar. Zuerst wird Renault einen 116 PS starken Vierzylinder-Turbodiesel bringen. Der ersetzt den bisherigen 110-PS-Einstiegsselbstzünder. Später folgt ein 150 PS starker Vierzylinder. Das 1,75-Liter-Aggregat löst den gewohnten Spitzen-Diesel mit 130 PS ab. Mit einer Ausnahme sind sämtliche Motoren an Frontantrieb gekoppelt: Nur der stärkste Diesel wird mit Allrad erhältlich sein. Dann befindet sich ein Drehregler an der Mittelkonsole, über den zwischen 2WD, 4WD Auto und 4WD Lock gewählt werden kann. Im automatischen Allrad-Modus schaltet der Renault die Hinterachse nur bei Bedarf zu. Die „Sperrfunktion“ bedeutet eine fixe 50:50-Kraftverteilung bis zu einem Tempo von 40 km/h. Also praktisch ein Modus fürs Gelände. Für die Welle, nicht für SpitzenKlar: Die Mehrzahl der Kadjar wird nie wirklich offroad bewegt werden. Doch über holprige Straßen führt ein Familienausflug schon ab und an. Unsere Testfahrt ebenfalls. Harte, kurze Stöße gibt das Fahrwerk an die Wirbelsäule weiter. Doch mit moderaten Wellen hat das Kompakt-SUV selten Probleme. Renault legte den Kadjar möglichst komfortabel aus – was garantiert ein Hauptargument für den Franzosen im hart umkämpften Fahrzeugsegment darstellt. Es hatte bereits beim Vor-Facelift-ModellGültigkeit. Natürlich machen andere Kompakt-SUV damit in der Kurve mehr Spaß. Man spürt die Neigung um Längs- wie Querachse, doch so richtig schwimmt der Kadjar nie. Die Lenkung ist zwar recht leichtgängig und Rückmeldungsarm, aber immerhin ausreichend präzise. Variabler Innernaum ab "Limited"-AusstattungQuelle: Renault Die Auslegung der Sitze passt zum Auto. Weiche Sitzflächen, weiche Flanken. Fühlt sich angenehm an, doch der Seitenhalt ist geringer als die starke Taillierung vermuten ließe. Fahrer und Beifahrer finden ausreichend Kopffreiheit vor. Abhängig von der Sitzposition kann die serienmäßige, verschiebbare Mittelkonsole stören. Die hinteren Plätze sind Erwachsenen zumutbar, auf langen Strecken würden sich Großgewachsene mehr Beinfreiheit wünschen. Immerhin finden die Fondspassagiere im gelifteten Modell je einen USB-Anschlüss vor. Offensichtlichster Unterschied zum bisherigen Kadjar ist im Inneren jedoch die Gestaltung der Mittelkonsole. Renault verzichtet auf einige Tasten, die zugehörigen Funktionen werden nunmehr über den Touchscreen bedient. Konkret handelt es sich in unserem Testwagen um das R-Link-2-Infotainmentsystem. Es kommt in der höchsten Ausstattungslinie („Bose-Edition“) serienmäßig. Die Rückenlehne fällt serienmäßig im Verhältnis 70:30, ab der zweiten Ausstattungslinie „Limited“ lassen sie sich über Hebel im Gepäckraum umlegen. Regulär fasst der Gepäckraum 472 Liter, mit flacher hinterer Lehne passen 1.478 Liter in den Kadjar. Wer sperriges Gepäck transportiert, kann zusätzlich die Lehne des Beifahrersitzes nach vorne klappen. Beim Transport kleinerer Utensilien lassen sich die Bretter des variablen Kofferraumbodens als Trennwände nutzen (beides ebenfalls serienmäßig ab „Limited“). Der Kadjar startet bei 22.490 EuroDie Preise beginnen bei 22.490 Euro für den 140 PS starken Benziner mit Handschaltung. Antriebsseitig werden viele mit der Basis das Auslangen finden, doch in der initiale „Life“-Ausstattung gerät der Kadjar für viele wohl zu karg. Gut, sämtliche übrigen Aggregate sind ohnedies nur in der zweiten Ausstattungslinie „Limited“ erhältlich. Hier startet der getestete kleine Benziner mit Handschaltung bei 25.690 Euro, der Einstiegsdiesel bei 27.490 Euro. Neben den erwähnten Adaptionsmöglichkeiten für den Gepäckraum gibt es hier unter anderem die schlüssellose Zugangskarte sowie eine 2-Zonen-Klima. Quelle: Renault Der 159 PS starke Benziner ist in der Top-Ausstattungslinie „Bose Edition“ ab 31.690 Euro erhältlich, die getestete Version mit Doppelkupplungsgetriebe kostet in der Top-Linie ab 35.590 Euro. Der später nachgereichte, 150 PS starke Diesel ist ausschließlich in der höchsten Variante verfügbar – als Fronttriebler ab 34.590 Euro, der einzige Allrad kostet ab 36.590 Euro. In „Bose Edition“ kommt der Kadjar mit namensgebendem Soundsystem, Voll-LED-Scheinwerfern, Sitzen mit ausfahrbarer Oberschenkelauflage und einem Fahrassistenz-Paket (Intern: „Safety-Paket“). Neben Spurverlassenswarner und Fernlichtassistent gehört dazu die neue Verkehrszeichenerfassung mit Geschwindigkeitswarnung. Einen adaptiven Tempomaten bieten die Franzosen nicht an. Der bisherige Kadjar kam gut an. Global setzte Renault seit Marktstart 450.000 Einheiten ab, in Deutschland gingen 2017 rund 13.500 Exemplare weg. Deutlich besser verkaufen sich markenintern nur das Mini-SUV Captur, der Kleinwagen Clio und der Kompakte Megane. Wenig überraschend also, dass Renault für die zweite Kadjar-Lebenshälfte wenig ändert. Er bleibt damit ein hinreichend komfortables Kompakt-SUV zu vertretbaren Preisen. Das wird auch im härteren Konkurrenzumfeld funktionieren. Renault Kadjar Facelift – Technische DatenDer Einstiegsbenziner:
Der Top-Benziner mit DKG:
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