GroKo-Koalitionsvertrag: Verkehrspolitik
Ein bisschen Nachrüstung, kein bisschen blaue Plakette
Die "Groko" hat ihren Entwurf eines Koalitionsvertrags vorgelegt. Was steht drin zu den Themen Diesel, Schadstoffe, Bußgelder und Roboterautos? Wir haben nachgesehen.
Berlin – 2013 war alles anders. Damals stand Bayerns Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer bei der CSU-Basis im Wort: Wir bringen die Maut, die nur Durchreisende zahlen müssen. Seehofer schickte seinen besten Mann nach Berlin: Alexander Dobrindt hatte den Parteiauftrag, die unmögliche Maut möglich zu machen. Und schaffte es, gegen den Widerstand der Bundeskanzlerin, der SPD, der EU-Kommission und der Bundesländer. Nur der Europäische Gerichtshof kann die Pkw-Maut noch aufhalten.
Ein von seiner Partei ähnlich wichtig empfundenes Projekt wird der voraussichtliche neue Verkehrsminister Andreas Scheuer (45, CSU) nicht leiten müssen. Angenehmer wird der Job jedoch nicht. Alexander Dobrindt dürfte froh sein, die Aufsicht über Bußgeldkatalog, Autobahn-Ausbau und das Kraftfahrt-Bundesamt los zu sein.
Angesichts der politischen Wucht, mit der Stickoxidbelastung, Diesel-Fahrverbote und Fahrzeugzertifizierungen zuletzt diskutiert wurden, kann eine Karriere hier durchaus scheitern. Kein politisches Schwergewicht will sich daran verbrennen. Ein Kernauftrag für den frischen Verkehrsminister dürfte lauten: Fahrverbote verhindern.
Keine "blaue Plakette"
Die Instrumente, die er dazu an die Hand bekommt, scheinen auf den ersten Blick eher stumpf. Eine „blaue Plakette“ wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Sie hätte es Kommunen ermöglicht, punktuell strengere Abgas-Grenzwerte für eng begrenzte Stadtgebiete oder Straßenzüge anzusetzen, als sie die europäischen Emissionsgesetze vorschreiben.
Der Koalitionsvertrag weckt den Eindruck: Die nächste Bundesregierung will alles, außer jemandem weh tun. Eine Kommission soll bis Anfang 2019 eine Strategie zur „Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“ erarbeiten. „Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen“ – hoch gesteckte Ziele.
Diesel und Abgase
Die künftige Regierung will die Kommunen dabei unterstützen, die Emissionsgrenzwerte „mit anderen Maßnahmen als mit pauschalen Fahrverboten“ einzuhalten. Die Emissionen aus dem Straßenverkehr sollen dabei „an der Quelle reduziert" werden. Wie genau? Technische Nachrüstungen an Dieselfahrzeugen sollen immerhin geprüft werden - „soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar“
Über diese Nachrüstungen entscheiden will die Regierung noch 2018. Dass dies kompliziert wird, ist klar: „Zulassung, Gewährleistung und Kostentragung“ sind ebenso Faktoren wie Gerichtsentscheide auf deutscher und europäischer Ebene. Prototypen von Nachrüst-SCR-Systemen wurden 2017 erfolgreich getestet. Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit müssen jedoch für jeden Fahrzeugtypen separat geprüft werden.
Das kann also dauern. Die von belasteter Luft betroffenen Städte sollen aus dem Fonds „Nachhaltige Mobilität“ auch über 2020 hinaus Geld erhalten. Eine konkrete Maßnahme steht dann doch im Koalitionsvertrag: Kommunen sollen verbindliche Emissionsgrenzen für Busse, Taxis, Mietwagen oder Carsharing-Fahrzeuge vorschreiben dürfen. Fördergelder für emissionsärmere Fahrzeuge sollen den Austausch der Flotten bei Taxis und leichten Nutzfahrzeugen beschleunigen – „technologieoffen“, wie der Koalitionsvertrag betont. Ein wichtiges Zugeständnis an die Autoindustrie, die sich nicht ausschließlich auf die Elektromobilität festlegen will.Angehen will die Bundesregierung auch die Überwachung von Emissionen bereits verkaufter Autos. Darüber soll künftig ein „Deutsches Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (DIVEM) wachen – und bei Verstößen die Hersteller sanktionieren.
Elektromobilität und Industrie
Die Förderung der Elektromobilität soll offenbar ausgeweitet werden. Ein konkretes Ziel, wann wie viele Stromer auf der Straße sein wollen, wird aber nicht mehr erwähnt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erneuerung dienstlich genutzter Fahrzeuge: Elektro- und Hybridfahrzeuge erhalten einen reduzierten Dienstwagen-Steuersatz von 0,5 Prozent des Listenpreises. Hinzu kommt eine Sonderabschreibung von 50 Prozent im Jahr der Anschaffung.
Die aktuell vorhandenen Programme zur Förderung der E-Mobilität werden, „wo erforderlich“, über das Jahr 2020 hinaus verlängert und aufgestockt. Ziel seien bis 2020 mindestens 100.000 Ladepunkte zusätzlich, davon ein Drittel Schnelladesäulen. Die Einrichtung von Ladestellen für Wohnungsmieter und das Einführen benutzerfreundliche Bezahlsysteme sollen erleichtert werden.
Die „Nationale Plattform Elektromobilität“ soll sich künftig um die gesamte „Zukunft der Mobilität“ kümmern – mit dem Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Automobilindustrie. Konkret wünscht sich die Regierung die komplette Wertschöpfung für Elektroautos im Land, inklusive einer Batteriezellfertigung.
Autonomes Fahren
Die Autohersteller wünschen sich einen besseren rechtlichen Rahmen für die Umsetzung autonomer Fahrfunktionen. Die künftige Regierung sieht darin einen Beitrag zur Verkehrssicherheit und verspricht: „Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir die rechtlichen Voraussetzungen für vollautonome Fahrzeuge auf geeigneten Infrastrukturen schaffen“.
Deutlich schneller soll es so genannte „Experimentierklauseln“ geben, die der Industrie das Testen der Technik leichter ermöglichen. Und: Die Städte sollen intelligenter werden. Versprochen sind „intelligente Parkleitsysteme“ und ein „digitales Straßennetz“.
Reicht das so?
Eher am Rande erteilt die „Groko“ noch einen weiteren Auftrag an den nächsten Verkehrsminister: Die „Evaluierung des Bußgeldkatalogs“. Konkret gefordert wird die Einführung „moderner technischer Hilfsmittel“, genannt werden Alcolocks. Zuletzt waren etwa für gefährliche Delikte höhere Bußgelder vom Verkehrsgerichtstag gefordert worden, ebenso die Neufassung des Straftatbestands der Unfallflucht. So weit ins Detail geht das Papier jedoch nicht.
Viele Fragen lässt das Vertragspapier also unbeantwortet. Die Regierung verlässt sich vor allem beim drängenden Thema Dieselabgase auf eine Expertenkommission, statt ein politisches Ziel vorzugeben, das über „wie bisher, nur besser“ hinausgeht. Zum sich abzeichnenden Thema Feinstaub aus Ottomotoren findet sich kein Wort im Koalitionsvertrag. Damit riskiert die Bundesregierung, dass Gerichte und Lobbygruppen die Richtung vorgeben. Ob das genügt, um die Qualität der Atemluft, die Integrität der Industrie und die Investitionen von Millionen deutscher Autobesitzer zu beschützen?
*****
In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten.
Elektromobilitätsförderungsmaßnahmen finde ich gut. Der Ansatz über die Firmenwagen wird dann auch zügig zu einem größeren Gebrauchtmarkt führen.
Zum Diesel ist bei MT bereits alles erdenkliche teils mehrfach von allen gesagt worden. Da sag ich nix mehr zu. 😆
Ich spende der Redaktion noch ein "R" für die GOKO. 😉
Ah, ok. Und ich Dussel hab mir tatsächlich so einen Kopf gemacht einen sauberen Euro 6d temp Benziner zu bestellen. Da muss ich ja sofort umordern auf einen verbrauchsgünstigen Diesel nach alter Norm.
Und sowieso werden alle neuen, nach WLTP berechneten Autos nur (teilweise erheblich) teurer in der Steuer als die alten Fahrzeuge.
Na mal sehen was das wird.
Es wäre sinnvoller gewesen Fahrzeuge, egal ob mit Benzinmotor oder mit Dieselmotor, die nicht mindestens Euro 5 erfüllen, ab einem Stichtag komplett von allen Straßen zu holen.
Weder der Handel, noch der Betrieb von Fahrzeugen und Arbeitsmaschinen, die nicht mindestens Euro 5 erfüllen, sollte dann noch erlaubt sein.
Ausnahmen nur für historische Fahrzeuge mit einer jährlichen Kilometerbegrenzung von 5000km.
Was bringen schließlich hysterische Dieselfahrverbote und sonstiges, wenn tagelang Bagger und Radlader ohne Abgasreinigung in den Innenstädten mit laufenden Motoren herumstehen, oder Rasenmäher, Mopeds und so weiter herumknattern.
Was noch mehr dieser reichweitenschwachen überteuerten Elektrokrankenfahrstühle auf den Straßen sollen, die dann von einer Ladestation zur nächsten kriechen, erschließt sich mir nicht.
Diese Sackgassentechnologie sollte man überwinden.
Was wünschenswert gewesen wäre:
Ein Betrag zur allgemeinen Sicherheit.
Ausländische Fahrzeuge, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, müssten ebenfalls über eine gültige deutsche Hauptuntersuchung verfügen.
Zu bekommen an TÜV-Stationen an den Grenzen. Ohne diese, und nicht mindestens Euro 5 keine Einreise.
Eine Strafsteuer für besonders durstige Fahrzeuge hätte auch Sinn gemacht.
Na, dann kauf ich mal schnell noch billig ein paar Diesel ein - bevor das nun alle Händler mitbekommen haben
Einen größeren Stillstand hat man kaum befürchten können und ein rabenschwarzer Tag für Deutschland. Die SPD hat sich selbst abgeschafft und die CDU/CSU ist für den Machterhalt zu allem bereit. Die ganze Situation weckt unschöne Parallelen zu früheren, historischen Momente die für Deutschland nicht gut ausgegangen sind.
Nicht nur beim Verkehr, hier hat man ebenso wie in allen anderen Themengebieten, die Chancen vertan sich auf die Zukunft einzustellen.
Sehr gute Ansätze. Der Markt soll die Situation regeln und nicht Ideologen. Wenn jetzt noch das Bundesverwaltungsgericht negativ urteilt, ist das Schreckgespenst Fahrverbote endgültig tot.
Wenn sich 3 Verlierer zusammen tun, ist doch klar das nur Murks bei raus kommt. Die nächsten 4 Jahre wird nicht viel passieren. Wir schaffen das!
Unglaublich das wir nach 5 Monaten noch keine Regierung haben ...
Das wären per Stichtag 01.01.2017 knapp 25 Mio Fahrzeuge < Euro 5.
...und fast hätte es keiner gemerkt.
Das klingt nach einem super Plan...
Mit Mutti gab's auch keine Maut.
Hier würde ich das Grundsatzurteil abwarten.
Erst nach dieser Entscheidung kann man die Richtungen einschlagen.
Bleibt noch die EU-Kommission mit ihrem angedrohten Verfahren gegen Deutschland. Bayerns Luftreinhalteplan wurde auch jüngst als "dreiste Missachtung" gewertet.
https://www.motor-talk.de/.../...pt-fuer-fahrverbote-t6256151.html?...
Solange keine Alternativen zu einem Fahrverbot vorliegen, ist das Thema NOx auch nicht gegessen. Die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen reichen nicht. Es heißt vorsichtig man wolle Fahrverbote vermeiden.
Genau?
Und wenn ich im Urlaub in den Süden fahre darf ich dann bitteschön an 3 Landesgrenzen.ebenfalls zum hiesigen Überwachungsverein.
Stelle mir grad den personellen Aufwand an allen Grenzen vor wenn fast jedes Fahrzeug 15 min technisch überprüft wird...
Manch einer hat den Kopf auch nur zum Haareschneiden
Die EU dürfte sich einen sch.. dafür interessieren, was im Groko steht.. wenn die Grenzwerte weiterhin so kräftig überschritten werden, gibt das Ärger.. irgendwie müssen die Städte dann ja ran, da kann die Groko dann och Menno sagen und mit den Füßen stampfen
Und wie soll das außer mit Fahrverboten gehen wenn die Diesel das meiste NOx ausstoßen? Soll man das Stickoxid in Tüten packen und zum Stadtrand fahren?
Aber Papier ist geduldig......