Das Ganze ist mehr als die Summe für die Summe seiner Einzelteile: Was kann der Dacia Duster, wenn man den Preis weitestgehend ausklammert? Die zweite Generation im Test.
Quelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Berlin – Klar, man kann Werbe-Onkel Mehmet folgen und den Duster als Statement wider das Statusdenken begreifen, als Ode an das automobile Minimalprinzip. Oder als Mittel zum Scheck, damit ein neues Kompakt-SUV ohne Finanzierung den Weg in die Garage findet. Aber kann man den Dacia Duster für immer so sehen? Spätestens, wenn das neue Auto fest in den Alltag integriert ist, verliert der Status als (laut Basispreis) günstigstes SUV Deutschlands an Bedeutung. Dann zählen die inneren Werte mehr. Erstens aus diesem Grund wollten wir den Duster der zweiten Generation nicht von vornherein als Discountware bewerten. Der zweite: Unser Modell der höchsten Ausstattungslinie Prestige mit 1,5-Liter-Turbo-Dieselmotor und Allrad ist absolut gesehen gar nicht mehr so supergünstig. Der Testwagen ist nahezu doppelt so teuer wie das Einstiegsmodell. Also seien wir fair, nicht nachsichtig. Abmessungen| Platzangebot | Karosserie„Jedes einzelne Karosserieteil ist neu“, betonte Dacia bei der Präsentation des Autos auf der IAA 2017. Er sieht dem ab 2010 gebauten Vorgänger dennoch verdammt ähnlich. Die im Vergleich flacher stehende A-Säule und die weiter nach außen gezogenen Lichter registriert man nur, wenn der Vorgänger daneben parkt. Im letzten Verkaufsjahr 2017 setzte Dacia laut KBA 15.765 Exemplare ab, damit sorgte der Duster für ein Viertel des Gesamtabsatzes der Marke. Quelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Mit 4,341 Metern überragt der aktuelle Duster seinen Vorgänger in der Länge geringfügig. Die Plattform (B0) nutzte in Grundzügen schon der erste Duster, der Radstand blieb mit 2,673 Metern unverändert. Passagieren in der zweiten Reihe bleibt ausreichend Raum für Beine und Haupt. Der mittlere Platz ist einem Erwachsenen dank des (für ein Allradmodell) überraschend flachen Mitteltunnels zumutbar. Ablagen sind rar, erst recht zuklappbare. Im Komfort-Paket der Prestige-Ausstattung kommt immerhin die Schublade unterhalb des Beifahrersitzes hinzu – der Fahrer profitiert davon kaum. Doch in der schlitzförmigen Ablage zwischen den Sitzen halten Handy und Geldbörse den Fliehkräften im Alltag lange genug stand. Der Kofferraum fasst 376 bis 1.431 Liter. Letzteres, wenn gewünscht, mit nahezu ebener Ladefläche. Dafür können die hinteren Sitzflächen nach vorne geklappt werden, um Platz für die von den Kopfstützen befreiten Lehnen zu schaffen. Käufer sollten ein Mindestmaß an Nonchalance mitbringen – die Teile wirken etwas filigran. Man weiß beim Erstversuch nicht, ob man noch das Raumkonzept bedient oder schon das Interieur beschädigt. Außerdem braucht es für die Wieder-Durchführung der Gurtschlösser ein wenig Geduld oder viel Geschick. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Zur Beruhigung: Allzu leicht beschädigt man den Innenraum eines Duster nicht nachhaltig. Im Fahrgastbereich plagt einen die Sorge erst gar nicht. Armaturenbrett und Seitenverkleidung wirken solide. Robustes Plastik fast überall - aber weit gefälliger gestaltet als in früheren Dacia-Modellen. Die Drehregler der Klima-Automatik (200 Euro) zeigen auf einer Digitalanzeige in der Mitte Temperatur und Gebläsestufe. Nicht neu, aber gelungen. Daneben lässt sich über glatten Anthrazit-Lederbezug auf den Sitzen (500 Euro) etwas Glanz in den Innenraum bringen. Die vorderen Sitze sind nur geringfügig tailliert, sorgen dank fester Wangen in zügigen Kurven trotzdem für ausreichend Seitenhalt. Die Hocker sind gemütlich, doch: Höhenverstellung und Mittelarmlehne gibt es in der Top-Ausstattung (Prestige) nur für den Piloten. Antrieb | Motor | GetriebeDacia bietet den Duster mit drei Motoren und vier Leistungsstufen. Ein 114 PS starker 1,6-Liter-Vierzylinder-Sauger bildet bei den Benzinern den Einstieg. Der ist optional als LPG-Variante erhältlich. Darüber gibt es einen aufgeladenen 1,2-Liter-Vierzylinder mit 125 PS. Als Diesel steht ein 1,5-Liter-Turbodiesel mit 90 oder 109 PS zur Wahl. Wir fuhren die stärkere Selbstzünder-Variante. Häufig über die Autobahn, gelegentlich auf dem Land und praktisch täglich durch den aufreibenden Berliner Stadtverkehr. Der Bordcomputer zeigte selten mehr als 6,0 Liter auf 100 Kilometer, bei ungehinderter Fahrt pendelt sich der Verbrauch im Bereich von 5,4 Litern ein. Quelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Das maximale Drehmoment von 260 Newtonmeter liegt Diesel-typisch früh an, bei 1.750 Umdrehungen. Die Höchstleistung laut Datenblatt bei 4.000 Touren. Nur: So hoch will man den Vierzylinder nicht drehen, ab etwa 3.500 Umdrehungen wird das Triebwerk aus dem Renault-Konzernregal laut. Die Nadel des Drehzahlmessers lässt sich dank des kurz übersetzten Sechsgang-Handschaltgetriebes unten halten. Bei 50 km/h kann man bereits im fünften Gang ruhig durch die City gleiten. Zum Autobahnglühen taugt das Kompakt-SUV nicht, der Topspeed liegt bei mageren 169 km/h. Der 109-PS-Diesel wäre als einziges Duster-Aggregat mit Doppelkupplungsgetriebe kombinierbar, dann allerdings nur mit Frontantrieb. Unser manuelles Modell kam mit optionalem Allrad. Über den Drehregler an der Mittelkonsole kann man zwischen 2 WD (Frontantrieb), 4 WD (Allrad wenn benötigt, etwa weil die Vorderräder die Traktion verlieren) und Lock (Hinterachse arbeitet stets mit, 50:50 Grundverteilung) wählen. Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungQuelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Auf trockenen und geteerten Straßen bringt der Allradantrieb aus fahrdynamischer Sicht nur überschaubare Vorteile. Wir spürten im 2WD-Modus nie merkbare Antriebseinflüsse in der Lenkung. Das mag damit zusammenhängen, dass die Lenkung generell wenige Einflüsse irgendwelcher Art übermittelt. Das Volant dreht sich bei geringem Tempo unglaublich leichtgängig und verrät kaum, wie es um die Fahrbahnbeschaffenheit oder den Grip der 17-Zöller gerade steht. Bei höherem Tempo erhöht sich der Widerstand, jedoch nur geringfügig. Das weiche Fahrwerk lässt die Karosse beim Bremsen nicken, kniet sich bei zügig gefahrenen Kurven in Richtung des kurvenäußeren Vorderrades. Nein, fahraktiv ist so ein Duster nicht. Dafür gemütlich. Das Fahrwerk filtert leichte bis mittelschwere Stöße ohne Probleme und lässt uns das ruppige Kopfsteinpflaster der Nebenstraßen kaum spüren. Bei Unebenheiten in der Kurve kann er mitunter leicht versetzen.Schnickschnack wie Fahrwerks-Modi gibt es im Dacia-SUV nicht, allenfalls lässt sich die Arbeitsweise des Aggregates über die Eco-Taste beeinflussen. Die Dämpfer stehen immer auf „annehmbar komfortabel.“ Nicht nur gemessen am Fahrzeugpreis. Assistenzsysteme | SicherheitQuelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Der Duster kommt im Gelände zurecht, betont Dacia. Und bietet für die zweite Generation das Multiview-Kamera-Paket (ab 450 Euro im Paket mit Totwinkel-Warner). Die Idee: Dank Front-, Heck-und Seitenkameras soll der Fahrer früher sehen, was jenseits der Kuppen liegt, wie viel Platz bis zum Felsen oder Abgrund bleibt. Unsere Vermutung: Die meisten Käufer werden über die vier Kameras eher in urbane Parklücken linsen. Das System gibt eine gute Einparkhilfe ab. Vor allem, weil in diesem Punkt mehr Unterstützung nicht drin ist. Ein selbsttätig lenkender Parkpilot fehlt in Dacias Aufpreisliste. Der Duster II ist der erste Dacia mit Vorhangairbags. Außerdem verbaut die Renault-Tochter automatisches Abblendlicht sowie eine Berganfahrhilfe serienmäßig. Ab der zweithöchsten Ausstattungslinie (Comfort) ist die Bergabfahrhilfe (Hill Descent Control) enthalten. Bedienung | InfotainmentDas Infotainmentsystem ist was für Nostalgiker: Es erinnert vom Design her ein bisschen an das Sendersuchmenü eines 90er-Jahre-Röhrenfernsehers. Doch die Bedienung ist logisch, die Gestaltung übersichtlich. Neben den Kacheln für Navi, Telefon und Radio lässt sich über den Touchscreen das Eco-Programm auswählen. Hier vergibt der Duster Punkte für spritsparendes Fahren. Außerdem addiert das System die per Motorbremse zurückgelegten Meter. Längst kommen die meisten gängigen Motoren im Schubbetrieb ohne Kraftstoff aus, doch so anschaulich inszeniert das kaum ein anderer Hersteller. Für Allradmodelle bietet Dacia den 4x4-Monitor (serienmäßig in der Topausstattung Prestige). Dann lassen sich über Grafiken am Screen die seitliche Neigung und das Gefälle in Grad ablesen. In der Mitte zeigt ein Kompass die Himmelsrichtung. Preis | AusstattungQuelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Gänzlich kann man den schnöden Mammon nicht außer Acht lassen. Der Startpreis des Duster II liegt rund 800 Euro über dem Basispreis des Vorgängers. Entscheidend: Mit 11.490 Euro bleibt er das günstigste SUV auf dem deutschen Markt (der geringfügig günstigere Lada 4 x 4 ist ein reiner Geländewagen). Konkret erhält man für diese Summe den Duster mit 114 PS starkem 1,6-Liter-Benziner und Frontantrieb. Nur diese Variante ist in der kargen, untersten Ausstattungslinie Access (u. a. mit elektrischen Fensterhebern vorne und LED-Tagfahrlicht) erhältlich. Die nächsthöhere Variante (Essential) hat unter anderem Dachreling, Geschwindigkeitsbegrenzer und Nebelscheinwerfer im Programm. Neben dem günstigsten Benziner (ab 12.500 Euro) lässt sich diese mit dem Einstiegs-Diesel (90 PS, ab 13.500 Euro) kombinieren. Die Topaggregate sind an die zwei höchsten Ausstattungslinien Comfort (u. a. mit verstellbarem Sitz und Lenkrad, umklappbarer Rücksitzlehne und manueller Klimaanlage) und Prestige (u. a. mit 17 Zoll großen Alufelgen, silbernen Zierelementen und Rückfahrkamera) gebunden. Damit startet der 125-PS-Benziner bei 14.950 Euro (Comfort), die Topausstattung kostet ab 15.000 Euro. Der getestete 1,5-Liter-Turbodiesel mit 109 PS ist ab 15.700 Euro (Comfort-Ausstattung) erhältlich, in Kombination mit der gewählten Prestige-Linie liegt der Preis bei mindestens 17.000 Euro. Unserer Kalkulation liegen 18.900 Euro zu Grunde, für die Allradvariante der obersten Ausstattungslinie. Hinzu kamen unter anderem Kamerasystem und Totwinkel-Warner (im Paket 450 Euro), Lederbezüge (500 Euro), Sitzheizung vorne (150 Euro) sowie der Metallic-Lack (470 Euro). In Summe kostet der abgebildete Testwagen 21.020 Euro. Ein derart ausstaffierter Duster übersteigt also die Basispreise von manch ähnlich großem Konkurrenten. So etwa von Suzuki SX4 S-Cross (ab 19.790 Euro mit 111-PS-Benziner), Kia Sportage (ab 19.900 Euro mit 1,6-Liter-Benziner) oder Mitsubishi ASX (ab 16.490 Euro mit 117-PS-Benziner). Aber klar: Wer auf Allrad besteht und partout keine Zündkerzen in seinem Kompakt-SUV haben möchte, wird zu diesem Preis kaum woanders fündig. FazitQuelle: ausblenden I Marlene Gawrisch Der Dacia Duster bietet viel - und nicht immer muss man die Phrase "fürs Geld" anhängen. Manche Abstriche muss man dennoch in Kauf nehmen. Viele betreffen das Fahrverhalten. Ja, der Duster II fährt besser als sein Vorgänger - aber schwammiger als die meisten Konkurrenten. Wer sein Kompakt-SUV häufig übers Land scheucht oder gelegentlich auf den linken Autobahn-Spuren mitmischen will, wäre hier falsch - und nur schwer über den Verkaufspreis zu trösten. Komfortabel mit moderatem Speed und überschaubarem Verbrauch durch den Alltag, das kann der weich ausgelegte Duster zum Ausgleich besser als so manch teurer Fahrdynamik-Streber. Technische Daten Dacia Duster
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