Das autonome Fahren soll den Menschen als Fehlerquelle ausschalten. Doch vorher sind wir teilautonom unterwegs, und das könnte zu mehr statt weniger Unfällen führen.
Goslar - Die "Vision Zero" steht. Null Tote und null Verletzte soll es irgendwann einmal im Straßenverkehr geben. Verkehrsexperten und Unfallforscher arbeiten seit Jahren darauf hin, und auf einen Trend hoffen sie besonders. Das autonome Fahren soll ein Baustein dafür sein. Denn Computer, so die Hoffnung, machen keine typisch menschlichen Fehler. Das Problem: Auf dem Weg zum autonomen Fahren liegt das teilautomatisierte Fahren. Dabei übernehmen Computer nur in bestimmten Situationen die Kontrolle. Und genau das das könnte die Zahl der Unfälle erhöhen, warnen Unfallforscher. Im Jahr 2016 erfasste die Polizei allein in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Verkehrsunfälle. Der Sachschaden betrug gut 34 Milliarden Euro. Wenn Autos irgendwann vollautomatisch fahren, kann dies nach Einschätzung von Experten zu einer deutlichen Senkung der Unfallzahlen und einer drastischen Verminderung der Schadenssumme führen. Der ACE Auto Club Europa sieht die Vorteile so: Maschinen werden nie müde, können schneller reagieren als der Mensch und sie können gleichzeitig mehrere Objekte im Blick behalten. Dass werde mehr Verkehrssicherheit schaffen. "Kurzfristig darf man sich allerdings nicht zu viele Hoffnungen machen", warnt der Unfallforscher Siegfried Brockmann zum Auftakt des 56. Verkehrsgerichtstags in Goslar an diesem Mittwoch. Der Expertenkongress wird bis Freitag (26. Januar) in Goslar auch über das Thema "Automatisiertes Fahren" diskutieren. Verkehrsgerichtstag: Autonomes Fahren nach Level 3Quelle: dpa/picture-alliance "Bis Autos wirklich vollautomatisch fahren, wird es noch lange dauern", sagt Brockmann. Teilautomatisiertes Autofahren dagegen, bei dem die Fahrer das Fahrzeug überwachen müssen, gibt es schon heute. Fahrzeuge mit Lenk-, Brems- und Spurhalteassistenten etwa. Ihre Zahl wird kurzfristig zunehmen, der Automatisierungsgrad steigt. Autonomie nach "Level 3" ist in bestimmten Verkehrssituationen (etwa auf der Autobahn, unterhalb von bestimmten Geschwindigkeiten) schon jetzt technisch möglich. Kein Hersteller hat allerdings bislang eine Zulassung für ein Fahrzeug nach Level 3. Dann dürfte der Fahrer sich für längere Momente ablenken lassen, muss aber schnell reagieren können. Genau da sieht Brockmann große Risiken. "Die meisten Fahrer dürften nicht in der Lage sein, das Kommando in Sekundenschnelle selbst zu übernehmen, wenn das System aussteigt", meint der Unfallforscher der Versicherer. Und teilautomatische Systeme würden in vielen Fällen aussteigen, etwa bei einer fehlenden Fahrbahnmarkierung oder bei plötzlich einsetzendem Schneefall. Nach dem derzeitigen Stand müssten Fahrer dann in der Lage sein, innerhalb von vier Sekunden die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. "Unsere Studien zeigen allerdings, dass man mindestens zwölf Sekunden dazu braucht", sagt Brockmann. In der Zeit dazwischen bestehe größte Unfallgefahr. Nur von Profis beherrschbar?Quelle: mobile.de "Grundsätzlich können autonom fahrende Autos und Lkw zwar einen Gewinn für die Verkehrssicherheit darstellen, wenn sie fehlerfrei funktionieren", glaubt der Leiter der UDV-Unfallforschung. "Aber die Technik muss besser werden", sagt Brockmann. "Solange es die Industrie nicht schafft, ausreichend lange Vorwarnzeiten für die Kontrollübernahme zur Verfügung zu stellen, dürfen solche Fahrzeuge nur von professionellen Testfahrern bewegt werden." Nach Ansicht des ADAC ist derzeit allerdings unklar, was die Nutzer hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen während der Nutzung tun dürfen beziehungsweise zu unterlassen haben - etwa mit dem Tablet im Internet surfen, Zeitung lesen oder schlafen. "Die Nutzer benötigen Rechtssicherheit", sagt der Verkehrsjurist Markus Schäpe. Beim Verkehrsgerichtstag wird auch über den Versicherungsaspekt des automatisierten Fahrens und die Frage diskutiert: wer haftet, wenn ein automatisiertes Fahrzeug an einem Unfall beteiligt ist? Fahrer, Halter, Hersteller oder Versicherer? Für den ADAC ist klar: Die Kfz-Haftpflichtversicherung muss alle Schäden regulieren. Sollte ein Unfall durch die automatische Fahrfunktion verursacht worden sein, müsse die Versicherung des Herstellers übernehmen. Kfz-Haftpflicht: Einer haftet immerQuelle: Audi Nach Ansicht des ACE Auto Club Europa müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen dringend geklärt werden, auch wenn das automatisierte Fahren noch in weiter Ferne liege. In einem Papier der Verbraucherzentrale Bundesverband zum Verkehrsgerichtstag heißt es dazu, die Gefährdungshaftung solle den Hersteller treffen. Denn nur dieser habe Einfluss auf die Sicherheit seiner Produkte. Die Kfz-Haftpflichtversicherer sehen keinen großen Handlungsbedarf. "Kommen Dritte beim Betrieb eines Fahrzeugs zu Schaden, spielt es für eine Entschädigung durch die Versicherung keine Rolle, wer oder was einen Unfall verursacht hat", sagt ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer (GDV). "Unfälle durch automatisierte Fahrzeuge sind davon heute schon ebenso umfasst wie etwaige Unfälle, die infolge eines Hackerangriffs auf vernetzte Autos entstehen." Quelle: dpa |