Sun Dec 21 11:07:45 CET 2014 | Trottel2011 | Kommentare (12) | Stichworte: concept car, jaguar, v12, xj220
Hallo Motor-Talker!
Viele Marken haben Rennsportgene. Ich denke da brauchen wir nicht viel zu sagen. Früher galt einst "Win Sunday, Sell Monday". Also haben sich viele Hersteller im Rennsport getümmelt. Eine Marke, welches ich hier herausheben möchte, hatte schon immer ein Rennstall. Sei es in der Formel 1, im Tourenwagen Bereich oder auch im Rallyegeschehen. Jaguar hatte immer irgendwo eine Katze am Start.
Die Front vom schnellsten Jaguar aller ZeitenUnd dass eine Katze am Start etwas Gutes ist, sieht man an den vielen Rennerfolgen. Was wäre dann nicht sinnvoller, als ein Auto auf die Straße zu stellen, welches Rennsportgene in sich trägt - und zwar durch und durch?
Als ich im Heritage Motor Centre war, konnte ich mit eigenen Augen den XJ220 begutachten. Eine Augenweide! Aber von Anfang an: eine Gruppe Mitarbeiter von Jaguar hatten in ihrer Freizeit an einem Jaguar Supersportwagen geschraubt. Ein Auto, wie sie es sich von Jaguar vorstellten, um gegen Ferrari und Porsche antreten zu können. Breit, lang, flach, mit V12 und mindestens 500 ps als Mittelmotor vor der Hinterachse. Hach, das wäre ja etwas Feines geworden! Und genau das wurde es...
Es ist schwer den Wagen in voller Länge ins Bild zu bekommenEinige Grundlagen waren klar: es sollte das schnellste Auto der Welt werden. Es sollte auf einem Rennwagen aufbauen und es sollte einmalig sein. Die 220 im Namen stehen für die angepeilten 220 mph (350 km/h) . eine Homage an den XK120, welches bei Erscheinen 120 mph (ca. 200 km/h) erreichte und das schnellste Auto seiner Ära war. Der XJ220 baute auf den XJR-8 auf (ein von TWR entwickelten LeMans Sieger von 1988). Das Concept Auto hatte einen weiterentwickelten Jaguar V12 und ein von FF Developments entwickelten Allradantrieb (wie es einst im Jensen FF verbaut wurde) unter dem dünnen Aluminium-Blechkleid.
Der V12 mit 12 Einzeldrossel und EinspritzungDer V12 basierte in seinem Block auf den altbekannten V12 von Jaguar, bekam jedoch Zylinderköpfe mit 24 Ventilen (also 48 insgesamt) und wurde auf 6.2l aufgebohrt. Eine Trockensumpfschmierung half den Schwerpunkt weiter zu senken. Die Pleuel bestanden aus damals noch schwer zu bekommendem Titan und waren handgeschmiedet. Um den Allradantrieb von hinten nach vorne führen zu können, bediente man sich einer typisch britischen Lösung. Statt wie bei Ferrari und dem FF an der Front des Motors die Kraft anzuzapfen und ein neues Getriebe anzubringen oder wie bei Audi einen Kardan um den Motor herum (seitlich vorbei) zu führen, baute man die Nebenwelle des V12 Motors soweit passend um, dass die Leistung dann vom Verteilergetriebe wieder durch den Motor nach Vorne zu den Vorderrädern geführt werden konnte. Ja, warum einfach wenn es auch kompliziert geht?
1989 gab Jaguar dann an: Ja, wir bauen diesen Wagen in Serie! Zwar eine Serie von 350 Stk. aber eine Serie... Und sofort kamen die Bestellungen rein. 1500 Bestellungen lagen zügig vor und trotz der Anzahlungssumme von £ 50.000 (damals war der Wechselkurs bei ca. 3,00 DM = £ 1,00!) und einem Kaufpreis von £ 413.000 (also mehr als 1.2 Millionen DM!) war die Begeisterung groß! Man wollte den Wagen haben... Doch dann passierte es... Man konnte nicht das bieten, was die Kunden wollten und eine Wirtschaftskrise erschütterte die Märkte.
Die flache SeitenlinieAufgrund der Tatsache, dass die Umweltschutzvorgaben (also die Abgaseinstufungen) eine Nutzung des starken V12s fast unmöglich machte, ohne dass die Leistung massiv gedrosselt werden müsste, entwickelte man kurzerhand einen neuen V6 Motor. Diese Maschine, mit 2 Turboladern und 3.5l Hubraum versehen, füllte den Motorraum des Supersportlers kaum aus. Es hatte jedoch 549 ps und sollte den nun doch leichter gewordenen XJ220 in knapp 4 Sekunden (3.7s) von 0 auf 100 km/h beschleunigen und bis zur Höchstgeschwindigkeit von 343 km/h (213 mph) vorwärts treiben. Das Allradsystem wurde ebenso nicht in die Serienproduktion übernommen. Am Ende kostete ein Serienfahrzeug 1994 stoltze £ 470.000 (ca. 1.5 Millionen DM!). Eine stolze Summe für ein stolzes Auto!
Dennoch, die Leistung war nicht ausreichend und die Anzahlungen flossen zurück. Es traf Jaguar hart, als die "Supercarbubble" (eine Finanzblase in GB worin viele in vermeintlich wertstabile bzw. wertsteigernde Supersportwagen investierten) platzte. Von ursprünglich 350 geplante Verkäufe bzw. 1500 mögliche Verkäufe gingen nur noch 275 Fahrzeuge durch das Werk.
Der Name war nie ganz richtig. Dennoch gab es Möglichkeiten den Wagen zu den angepeilten 220 mph zu beschleunigen. So baute man bei der Testfahrt auf der Nardo Schnellfahrstrecke die Katalysatoren aus (böse böse ) und kam mit 218 mph (knapp 348 km/h) der angepeilten Höchstgeschwindigkeit sehr nahe. Wer noch mehr Geld über hatte, konnte bei TWR sich eines von 5 gebauten XJ220S kaufen. Mit mehr Leistung (680 statt 549 ps!), anderen Scheinwerfern und Detailänderungen sollten nicht nur 350 km/h möglich sein, sondern schon 370! Es ging also aufwärts...
Das breite HeckDennoch, es half nichts. Von 1992 bis 1994 liefen 275 Fahrzuege aus der Manufaktur. Es war doch so vielversprechend. Der Wagen selbst wurde sehr gut. Bei den frühen Ausgaben von Topgear, bevor Jeremy Clarkson die Sendung von Infotainment zu Entertainment führte, wurde das Handling des XJ220 gelobt. Komfort - eine Tugend bei Jaguar - war großzügig und unerwartet für solch ein Auto. Die Rundumsicht für ein Fahrzeug dieser Größe einmalig... Aber die Alltagstauglichkeit wurde nicht bescheinigt. Kein Platz für irgendwelche Gepäckstücke. Im Grunde genommen konnte man zwar seine Aktentasche mitnehmen, aber das war es schon. Wer sich den XJ220 kaufte, wollte aber nicht verreisen. Er wollte zeigen, was er sich leisten wollte und konnte. Und das ist auch gut so, denn sonst würden solche Fahrzeuge nie gefertigt werden!
Im Rennsport machte der XJ220S von TWR noch eine bessere Figur. 700 ps und eine Kohlefaserkarosserie machten die schnellste Raubkatze aller Zeiten zu einer Rennlegende. Und eine weitere Bestätigung, dass der XJ220 ein Hypercar (noch bevor Hypercar erfunden wurde) war: zwischen 1992 und 2000 hielt ein XJ220 den Rundenrekord für den Nürburgring mit 7:46.36! 1992 war der XJ220 das schnellste Serienauto der Welt... Für genau einen Jahr, als dann der McLaren F1 diesen 1993 an sich zog.
Jaguar C-X75Heute sind die Preise für den XJ220 - wenn man einen finden kann - gepfeffert, dass es nicht nur der schnellste Jaguar der Welt bleibt, sondern auch der Teuerste. Selbst auf den Onlineplattformen taucht das Modell nicht einmal namentlich auf, weil so selten und teuer. Allerdings, teuer, im Vergleich zu ehemaligen Verkaufspreis sind Preise von knapp $ 300.000 (ca. 245.000 €) kaum noch etwas... Für den Einstieg in den Hypercar Markt allerdings ein Schnäppchen! Wobei bereits manche E-Types in diese Richtung vordringen...
Knapp 20 Jahre später sollte ein innovativer Nachfolger für diesen einmaligen Hypercar gebaut werden. Vorgestellt als C-X75 sollte es mit Gasturbine und Elektromotoren 780 ps leisten und den Wagen auf 330 km/h beschleunigen. Leider zog Jaguar die mögliche Produktion zurück und wird den optisch dem XJ220 nachempfundenen C-X75 nicht in Serie fertigen. Wieder aufgrund einer Wirtschaftskrise... Allerdings, nur weil es jetzt noch keine Freigabe dazu gibt, heißt es nicht, dass der C-X75 nicht doch aufersteht... Denn schließlich wird einer als "Bösewichtwagen" im nächsten James Bond Streifen bewegt werden...
Mal schauen was die Katzenmarke noch in Zukunft bringt!
(Bilder XJ220 von mir, Bild C-X75 von caricos.com) |
Sun Dec 21 14:30:12 CET 2014 | Spurverbreiterung17353
Das V12 Konzept recht spektakulär, die Realisierung aber unspektakulär mit einem V6 Biturbo, damals noch tödlicher als beim heutigen Downsizing Wahn. Dazu der wahnsinnig hohe Preis, logisch das dies kein Erfolg werden konnte. Erinnert mich immer etwas an den Lotus Esprit, der auch an einem dürftigen Turbomotor litt.
Immerhin war die Alukarosse recht zeitlos gelungen.
Sun Dec 21 14:35:25 CET 2014 | Trottel2011
Jop. Hätte man den V12 übernehmen können, wäre es denke ich anders gekommen. Die Basis war eben auch bewährt und bekannt. Zumal dann auch einige XJS und co mit mehr Leistung fahren würden
Sun Dec 21 15:01:52 CET 2014 | Multimeter21561
Auf Mobile.de gibt's derzeit 6 Stück. Also wenn jemand Interesse hat...
Sun Dec 21 22:29:54 CET 2014 | Romiman
Durfte den damals auch mal in natura bewundern. In vielen Details zeigte er die damalige schludrige Detailqualität, die man auch von den Limousinen aus englischer Fertigung kannte.
Mon Dec 22 00:28:55 CET 2014 | jackknife
Und die Seitenblinker stammen vom Fiesta GFJ
(bei der Serienversion, nicht bei dem Prototypen da oben)
Mon Dec 22 11:37:58 CET 2014 | PS-Schnecke20095
Letztes Jahr stand einer bei nem Händler hier in der Umgebung. Wenn man das Auto in Natura vor sich stehen sieht ist das schon ein geiles Auto.
Ob der Motor nun der Weisheit letzter Schluss ist lass ich mal so im Raum stehen. Aber es gibt sicherlich schlimmeres.
Jetzt müsst man nur noch die Kollekte aufstocken..
Mon Dec 22 11:42:10 CET 2014 | knolfi
Ich durfte sogar mal in einem mitfahren...
Ein damaliger Bekannter meiner Eltern (arbeitete als Golfpro mit eigener Golfschule in einem dt. Luxusresort) hatte sich einen lilametallicfarbenen XJ220 gekauft...Ehrensache für einen Engländer.
Als wir mal Abends zu Besuch bei ihm waren, lud er mich in seine Tiefgarage ein...dort stand er unter einer Stoffplane versteckt und er lud mich ein, mit ihm eine Runde zu fahren. Die Kiste war von der Beschleunigung irre schnell, er meinte aber auch schon damals, dass sie lausig zusammengeschustert sei und ständig irgendwas dran ist. Viel fahren wolle er mit dem Wagen nicht, für ihn sei dies eine Wertanlage.
Ob er den Wagen heute noch hat, weis ich nicht, der Kontakt ist abgebrochen...
Tue Jan 06 12:49:15 CET 2015 | i need nos
soso, 218 mph sind also knapp 248 km/h....sollte wohl eher 348 km/h heißen
Sat Jan 10 20:32:28 CET 2015 | Trottel2011
Oh, Tatsache Wird geändert
Thu Nov 24 10:35:39 CET 2016 | Trackback
Kommentiert auf: Auch Trottel können richtig liegen...:
Die Unbekannten Schwestern - Teil 2, Lynx Eventer
[...] @knolfi
Bitte sehr: http://www.motor-talk.de/.../...-ein-hypercar-von-jaguar-t5150892.html
[...]
Artikel lesen ...
Tue Mar 21 18:42:45 CET 2017 | Trackback
Kommentiert auf: Auch Trottel können richtig liegen...:
Jaguar Mule der anderen Sorte
[...] versuche zu erzeugen Für die, die es nicht ahnen, erkläre ich mal weiter...
Es gab eine Zeit, als Jaguar und TWR den XJ220 erprobten. Das Auto war damals, in den späten 80ern, ein begehrtes Fotomotiv. Der Fotograf, der von [...]
Artikel lesen ...
Tue Sep 13 14:01:25 CEST 2022 | knolfi
*Hust, hust*...*staubwegwisch*..da war doch was, da ist doch was...hab's gefunden.
Passend zu diesem Artikel wird gerade einer angeboten. In BRG mit erst 7200 km zum Schnäppchenpreis.
Klick
Deine Antwort auf "Der XJ220 - ein Hypercar von Jaguar"